KINDgerecht Magazin für frühkindliche Bildung, Ausgabe 2 / November 2022 - Magazin - Seite 13
KINDERRECHTE
Wie gerecht
ist die digitale Welt?
Haben alle Kinder die gleichen Chancen in einer
digitalisierten Welt? Wie verändert die Digitalisierung
überhaupt das soziale Gefüge unserer Gesellschaft?
Seit der Gründung 2002 setzt sich die Stiftung
„Digitale Chancen“ für den chancengleichen
Zugang aller Menschen zum Internet ein. Jutta Croll
ist Projektleiterin für Kinderschutz und Kinderrechte in
der Stiftung und erklärt, wie die Stiftung Fachkräfte,
Kinder und Familien unterstützt.
Frau Croll, die Stiftung „Digitale
Chancen“ hat als Leitthema „Digitale Integration“. Ist die digitale Welt
gespalten?
Anlass für die Gründung der Stiftung war
vor 20 Jahren die Beobachtung einer
Spaltung. Während jüngere, gut gebildete und eher einkommensstarke Bevölkerungsgruppen sehr schnell den Zugang zu dem damals neuen Medium Internet gefunden haben, drohten andere von der Entwicklung abgehängt zu
werden. Wir haben dem Phänomen der
sogenannten digitalen Spaltung die digitale Integration als unser Ziel entgegengesetzt. Es geht darum, mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen, sowohl
hinsichtlich des Zugangs zu digitalen
Medien als auch im Bezug auf die benötigten Kompetenzen im Umgang damit.
Was bedeutet das für Kinder?
Wir sehen eine zunehmende Entwick-
lung der Internetnutzung bei den jüngeren Kindern. Auch wenn in der miniKIMStudie 2020 rund zwei Drittel der Haupterziehungspersonen der Zwei- bis Fünfjährigen noch angegeben haben, dass
die Kinder in ihrer Verantwortung das Internet nie nutzen, wissen wir aus dieser
Studie, dass in 100 Prozent der Haushalte
Internetzugang vorhanden ist.
Die Ausstattung mit Smartphone/Handy
liegt bei 97 Prozent, genauso viele Haushalte, in denen Zwei- bis Fünfjährige leben, verfügen über einen Fernseher, 76
Prozent besitzen ein Tablet und 73 Prozent ein Streaming-Abonnement.
Entscheidend ist, dass die Medienerziehung heute bereits im Kita-Alter beginnen muss, denn schon die Kleinen
kommen im Alltag mit digitalen Medien
in Berührung, sei es durch ältere Geschwister, die Zugang zum Internet haben, durch gestreamte Inhalte auf dem
heimischen Fernseher, digitale Spiele auf
dem Tablet oder Kommunikation per Videochat mit den Großeltern. Diese Lernmöglichkeiten sollten allen Kindern offenstehen, sie dabei zu begleiten ist Aufgabe der Familie und der frühkindlichen
Bildungseinrichtungen.
Die Stiftung „Digitale Chancen“
möchte vor allem sozioökonomisch
benachteiligte Kinder und Familien
durch digitale Medien erreichen.
Wie kann das gelingen?
Gerade für Kinder und Jugendliche, die
in benachteiligenden Verhältnissen aufwachsen, spielen außerschulische Bildungsangebote eine große Rolle. Wir
adressieren daher die pädagogischen
Fachkräfte mit Train-the Trainer-Angeboten, um sie für die Aufgabe der Medienkompetenzvermittlung zu qualifizieren
und bei der Kommunikation mit Familien
zu unterstützen.
Die Allgemeine Bemerkung Nr. 25
über die Rechte der Kinder im digitalen
Umfeld fordert die UN-Vertragsstaaten in
Artikel 9 auf, gemäß des Rechts auf
Nichtdiskriminierung sicherzustellen,
dass alle Kinder gleichermaßen einen
effektiven und kindgerechten Zugang
zum digitalen Umfeld haben. Ein kindgerechter Zugang bedeutet hier auch, dass
Kinder entsprechend ihrer Fähigkeiten in
die Lage versetzt werden, digitale Medien zu nutzen.
Wie setzen Sie Ihre Themen in der
Praxis für Kinder um?
Unsere Aufgabe ist es einerseits, die gesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich der
Digitalisierung zu erforschen und gleichzei13