KINDgerecht Magazin für frühkindliche Bildung, Ausgabe 2 / November 2022 - Magazin - Seite 21
Warum soll digitalisiert werden?
Ein wesentliches Argument für die Nutzung digitaler Portfolios ist
die erwartete Zeitersparnis, da alle Handgriffe wie Fotografieren, Schreiben, Ablegen innerhalb der App erledigt werden
können und mobile Tablets eine schnelle Verfügbarkeit
ermöglichen.
Eine Zeitersparnis kann sich auch dadurch ergeben, dass einzelne Portfolioeinträge mehreren
Kindern zugeordnet werden können. Sie sind
leicht oder sogar automatisch individualisierbar, sodass sich die Dokumenta
tion einer
Gruppenaktivität leicht in mehreren Portfolios
wiederfindet.
verbundene Ausstrahlung von Modernität und Professionalität.
Für einige Einrichtungen mag auch darin eine Aufwertung liegen, dass digitale Technik das manchmal als verstaubt und
betulich wahrgenommene Kita-Image modernisieren kann.
Tipp:
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Verlockend sind außerdem die Verknüpfungen der
verschiedenen Elemente wie Beobachtungsbogen,
Schlafstatistik, Video einer Spielsituation, sodass nichts vergessen und eine umfassendere Aktenführung zu jedem Kind
möglich wird.
Die digitale Dokumentation ist auch deshalb reizvoll, weil sie
eine einfachere Interaktion mit Eltern ermöglichen kann: Das
digitale Portfolio können sich Eltern abends auf dem Sofa
oder in einer Arbeitspause ansehen und den Fachkräften
leicht Feedback geben.
Schließlich kann die Nutzung digitaler Werkzeuge auch die
Partizipation von Kindern und Familien stärken: Aufeiten der
Kinder ist es vor allem die intuitive Touch-Technik, durch die die
Kinder selbst an der Dokumentation beteiligt werden können.
Für Eltern verringern sich Teilhabebarrieren durch die Zugänglichkeit am persönlichen Endgerät. Durch die starke Bedeutung von Bildern in digitalen Portfolios ist die Dokumentation
weniger an die Schriftsprache gebunden, die für manche Familien eine Hürde darstellen kann.
Hinzu kommt, dass vielen Fachkräften die Arbeit mit digitalen
Portfolios einfach Spaß macht. Nicht zu unterschätzen ist
schließlich die mit der Nutzung digitaler Kommunikationswege
Links und Literatur zum Weiterlesen:
Knauf, H. (2022). Digitalisierung in Kinder
tageseinrichtungen. Playlist auf YouTube:
https://youtube.com/playlist?list=PLJOx5_
R0ktaYTIbx-DLRHmORJog951129
Wo ist der Haken?
Mit dem Einsatz digitaler Bildungsdokumentation gehen auch
Nachteile einher. Ein ganz wesentliches Problem liegt in der
Tatsache, dass eine vorgegebene Software verwendet werden muss. Freie, kreative Formen eines Portfolioeintrags haben in diesem standardisierten Layout keinen Platz.
Kritisch zu betrachten ist auch die Datenanhäufung, wenn in
der App alle möglichen Informationen, zum Beispiel über die
Sprachentwicklung, Spielvorlieben, Schlafen oder das Essen,
zusammengetragen werden.
Das eigentliche Ziel der Bildungsdokumentation – Bildungsprozesse zu begleiten und anzuregen – könnte dabei verlorengehen. Neben der grundsätzlichen Frage, ob eine solch umfassende Dokumentation aus pädagogischen Gründen sinnvoll
ist, stellen sich hier auch rechtliche Fragen des Datenschutzes.
Und schließlich ist aus Sicht der Fachkräfte die zu erwartende
Arbeitsverdichtung im Blick zu behalten, die damit einhergeht,
wenn sie nebenbei kontinuierlich dokumentieren.
Es ist deshalb wichtig, die Einführung von digitalen Portfolios
gut zu planen und dabei auch Grenzen für die Nutzung festzusetzen.
Leopold, M., Lill, G. & Tiffetsammer, M.
(2021). Digitale Beobachtung und
Dokumentation in der Kita. Herder Verlag.
Staatsinstitut für Frühpädagogik Bayern
(2021). Kita-Apps – App und Software-Lösungen für mittelbare pädagogische Aufgaben
in Kitas. www.ifp.bayern.de/projekte/
qualitaet/startchancekitadigital.php (im
Abschnitt „Grundlagen der Kampagne“)
Helen Knauf ist Pädagogin und lehrt und
forscht seit 2019 als Professorin für “Bildung
und Sozialisation im Kindesalter” an der
Fachhochschule Bielefeld. Zuvor war sie
zehn Jahre als Professorin an der Hochschule Fulda tätig. Helen Knauf bloggt auf
https://kinder.hypotheses.org.
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