ECMI 01 Diskurs 2024 WEB - Flipbook - Seite 11
Jubiläum der Volksabstimmung zusammen
und deshalb ergab sich da etwas mit der
Dänischen Zentralbibliothek in Flensburg.
Die Dänische Zentralbibliothek hat eine
Forschungsabteilung, die damals Studienabteilung und Archiv hieß, dort erhielt ich ein
Promotionsstipendium. Unter anderem war
ich daran beteiligt, die Geschichte des SSW
(Partei der dänischen Minderheit) im Zusammenhang mit ihrem 50-jährigen Jubiläum zu
recherchieren (zusammen mit Lars N. Henningsen und Jørgen Kühl). Meine Abschlussarbeit wurde 1998 fertig und danach schrieb
ich meine Promotion über Flüchtlinge und
die dänische Bewegung – insbesondere über
die deutschen Ost昀氀üchtlinge, die 1945/46
nach Schleswig-Holstein kamen. Hier in Südschleswig sprechen wir von einer Flüchtlingswelle von etwa 40 Prozent der Bevölkerung.
Das hat die lokale dänische Bewegung herausgefordert, die wollte, dass Südschleswig
zu Dänemark gehört. Zu dieser Zeit dachten
viele, dass es hauptsächlich die Flüchtlinge
waren, die Teil der Minderheit wurden.
Und jetzt, da du dich so viele Jahre mit
Minderheitenfragen beschäftigt hast –
welche Unterschiede siehst du heute,
auch im Hinblick auf Herausforderungen?
Klatt: Das Minderheitenmodell in Sønderjylland-Schleswig ist erfolgreich, da man sich
1955 darauf geeinigt hat, die Grenze nicht zu
verschieben. Die Grenze sollte bleiben, wo
sie war, und die Menschen, die mit der Grenze
unzufrieden waren, konnten als Dänen in
Deutschland und als Deutsche in Dänemark
leben. Das bedeutet, dass die Staaten die
昀椀nanziellen Rahmenbedingungen scha昀昀en,
die dies es ermöglichen. Und das ist auch
ein Grund dafür, warum das Modell heute
funktioniert.
Hier haben wir fantastische Minderheitseinrichtungen, abhängig von der 昀椀nanziellen
Unterstützung der beiden Staaten. Die nationale Zugehörigkeit bedeutet den meisten
Menschen nicht mehr so viel, aber gerade die
zusätzlichen Angebote machen einen Unterschied. Man schickt seine Kinder auf eine
dänische oder deutsche Schule, weil man
glaubt, dass es gut für sie ist, eine andere
Sprache zu lernen.
„Ich konnte jedoch keine richtige Quelle dafür
finden, aber es ist interessant, dass immer
wieder erzählt wird, dass‚ es so viele Flüchtlinge gab, die Teil der dänischen Minderheit in
1945/46 wurden, nur weil sie Pausenbrote
aus Dänemark und so weiter bekamen.“
Das ist eine Art Erzählung darüber, dass es
damals keine „echte“ dänische Minderheit
gab. In gewisser Weise existiert diese heute
auch noch, wenn einige glauben, dass es zu
viele Deutsche in der dänischen Minderheit
gibt. Kurz gesagt, fand ich damals und denke
ich heute immer noch, dass die Grenzregion
ein faszinierendes Gebiet ist. Wenn wir über
Grenzen sprechen, müssen wir uns zwangsläu昀椀g auch mit den Minderheiten auf beiden
Seiten befassen. Hier beim ECMI liegt der
Fokus ausschließlich auf der Minderheit, und
das 昀椀nde ich einzigartig.
Und jetzt hat das ECMI nach vielen Jahren
beschlossen, sich auch auf die direkte
Nachbarschaft zu konzentrieren und sich
genauer mit der Minderheit in Dänemark
und den Minderheiten in Deutschland zu
befassen. Könntest du näher beschreiben,
an welchen Forschungsprojekten ihr aktuell
arbeitet?
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