24-02-22 Boersenverein Jahresbericht2024 01 - Flipbook - Seite 5
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© Lukas Wehner
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Die Leipziger Buchmesse hat 2023
wieder stattgefunden und auch die
Frankfurter Buchmesse war ein großer Erfolg. Gleichzeitig begleiten uns
weiterhin Krisen im In- und Ausland.
Wie erleben Sie die Stimmung in der
Branche? Das fulminante Comeback der
Leipziger Buchmesse und die überaus große
Resonanz, die die Frankfurter Buchmesse in
der nationalen und internationalen Öffentlichkeit erfahren hat, sind ein Beleg dafür,
dass unsere Kultur- und Wirtschaftsbranche
weiterhin relevant ist. Bücher fördern
Debatten, bieten Orientierung und sorgen
für Trost und Zerstreuung in schwierigen
Zeiten. Und Gründe zur Beunruhigung
gibt es viele: der mit unverminderter
Härte geführte russische Angriffskrieg auf
die Ukraine, die durch den grauenhaften
terroristischen Anschlag der Hamas eskalierte Lage im Nahen Osten sowie ein die
BÜCHER FÖRDERN
DEBATTEN, BIETEN
ORIENTIERUNG UND
SORGEN FÜR TROST
UND ZERSTREUUNG IN
SCHWIERIGEN ZEITEN.
Peter Kraus vom Cleff ,
Hauptgeschäftsführer Börsenverein
des Deutschen Buchhandels
Grundfesten unserer offenen Gesellschaft
erschütternder Rechtsruck – und das alles
vor dem Hintergrund einer Klimakatastrophe ... In einer Zeit der Polykrisen erlebe ich
bei vielen Branchenmitgliedern einerseits
große Anspannung, doch andererseits
auch eine Jetzt-erst-recht-Stimmung, eine
fast trotzige Energie und das Gefühl, den
Menschen mit Büchern, Begegnungen und
Beratung eine Stütze zu sein.
Was waren 2023 die zentralen Themen
in Politik und Branche? Welche Erfolge
konnte der Verband verbuchen? Nach
intensiven internen Analysen und Debatten
konnten wir richtungsweisende Impulse
geben – etwa was die Rabattspreizung und
den Mindestpreis beim Buchpreisbindungsgesetz angeht. Im engen Austausch mit
den Urheberverbänden und dem Büro der
Kulturstaatsministerin haben wir außerdem
Fortschritte beim Thema E-Lending gemacht
und uns zu strittigen Fragen rund um den
zentralen Themenkomplex „generative
künstliche Intelligenz“ eindeutig und klar
positioniert.
Wir freuen uns außerdem sehr über die
Initiative von Claudia Roth, den KulturPass
einzuführen. Wir haben den gesamten Entstehungs- und Implementierungsprozess
eng begleitet und sind begeistert, dass die
18-jährigen KulturPass-Empfänger*innen
fast jeden zweiten Euro für Bücher ausgeben
und viele neue Interessenten den Weg in
den Buchhandel gefunden haben. Hieran
gilt es anzuknüpfen.
Ein weiterer Erfolg ist der Start des Digitalen
Wissens-Hubs, der vielen Mitgliedern bei
der digitalen Transformation eine große
Hilfe sein wird. Auch die IG Nachhaltigkeit
hat erste Leitfäden veröffentlicht. Und nicht
zuletzt konnten wir in enger Zusammenarbeit mit den Landesverbänden viele
Impulse setzen zur Frequenzbelebung in
den Innenstädten.
Im Sommer wurde die IGLU-Studie zur
Lesefähigkeit von Grundschüler*innen
veröffentlicht, die Ergebnisse sind erschreckend. Was steht hier nun ganz
oben auf der Agenda? Ein rohstoffarmes
Land wie das unsere muss auf den Erfindungsreichtum, das Wissen und die
Bildung seiner Bevölkerung setzen – dazu
ist es dringend notwendig, dass die heranwachsenden Generationen Lesen als
elementare Kulturtechnik lernen und sicher
beherrschen. Es gilt, zahlreiche Hürden in
unserem föderalen Bildungssystem zu überwinden und bundesweite, übergreifende
Konzepte zu erarbeiten und umzusetzen.
Gemeinsam mit der Stiftung Lesen arbeiten
wir bereits intensiv an einem nationalen
Leseplan. Vom Irrweg, dass alles in der
Bildung besser wird, wenn man es denn
nur digitalisiert, sollten wir Abstand nehmen. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse
besagen, dass es weiterhin auch analoger
Bildungsmedien bedarf, um nachhaltig
Wissen zu vermitteln und selbstständiges
Denken zu fördern. Und genau das, selbstständiges, kritisches, reflektiertes Denken,
braucht unsere Demokratie.