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Event-Partituren nach Art des Fluxus
wie diese, so außergewöhnlich sie
auch erscheinen mögen, stehen besonders plastisch für die Neugierde
und Grenzenlosigkeit dieses Komponisten. Er spielte mit Sinnestäuschungen, experimentierte mit kleinsten
Tonabständen, verschob Rhythmen
und setzte die Zeit außer Kraft – mit
Werken, die bis heute nichts von ihrer
Faszination verloren haben. Wenn das
letzte Metronom im Großen Saal der
Alten Oper ausgetickt hat, wird das
Orchester anheben zu »Atmosphères«, einer riesenhaft aufgesplitteten
Partitur, in der 87 Instrumente indi-
viduell geführt werden und so einen
wahren Klangkosmos generieren –
im Film »2001: Odyssee im Weltraum«
gab das Stück den Sound ab für die
Weite des Universums.
»MAN KANN NICHT EINFACH ZUR
TONALITÄT ZURÜCK«
Und direkt dann der Übergang zu
Chormusik von Palestrina, dem wegweisenden Renaissance-Komponisten, die Reinheit seiner Harmonien
wird einen denkbar großen Kontrast
bieten. Ligetis Mikrotonalität, also die
Auflösung aller in den klassischen
Intervallen gedachter Musik, als die
letztendliche Zuspitzung eines Prozesses, der vor mehr als 500 Jahren
begann. Der Komponist, der – heute
so aktuell wie lange nicht – 1956 aus
Ungarn infolge der Niederschlagung
des Volksaufstandes durch sowjetische Truppen fliehen musste, sah sich
selbst als einen musikalischen Aus-
LIGETI 100
brecher: »Jetzt gibt es kein Tabu
mehr, alles ist erlaubt. Aber man
kann nicht einfach zur Tonalität zurückkehren, das ist nicht der Weg.
Wir müssen einen Weg finden, weder
zurückzugehen noch die Avantgarde
fortzusetzen. Ich befinde mich in
einem Gefängnis: Eine Wand ist die
Avantgarde, die andere Wand ist
die Vergangenheit, und ich will ausbrechen.«
HEAVY METAL FÜR CEMBALO
Bei »Ligeti 100« wird mit dem »Concert Românesc« der Komponist der
frühen Phase zu erleben sein, als er
noch hörbar seinem Landsmann Béla
Bartók verwandt war. Seine CembaloMusik dagegen zeigt ganz den Ligeti
der motorisch-rhythmischen Art – das
Cembalo mochte er übrigens gerne,
1978 fusionierte er für »Hungarian
Rock« eine barocke Chaconne mit
dem Geist des Heavy Metal. Der
Iraner Mahan Esfahani ist einer der
wenigen Cembalisten, die auch für
Neue Musik ein Ohr haben. Nicht in
Monopolen denken, ganz in Ligetis
Sinne.
Obwohl György Ligeti selbst ohne sie
komponierte, war die Elektronische
Musik der 1950er-Jahre ein starkes
Stimulans für ihn. Zu dieser Zeit arbeitete er im Studio für elektronische
Musik des WDR in Köln und kam dort
in Kontakt mit Karlheinz Stockhausen
und anderen Pionieren der Elektronischen Musik. Diese besondere Klangwelt wird in der Alten Oper ein DJ
wieder auferstehen lassen, wobei das
artifiziell Gemeinte jederzeit auch
fesselnde, faszinierende und im
besten Sinne unterhaltende Qualitäten hat. Wie eben die Musik von
György Ligeti selbst, die hoch spannend ist und einnehmend zugleich.
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