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POESIEWERKSTATT FÜR KINDER
Mit Lyrik
gegen Langeweile
Kathrin Schadt, Autorin und Journalistin, gründete 2020 das POEDU, eine
digitale Poesiewerkstatt für Kinder. Monat für Monat veröffentlichen seitdem
Kinder ihre Gedichte über das POEDU. 2021 ist die erste Anthologie erschienen. Warum es gar nicht schwer ist, Kinder für Poesie zu begeistern, erzählt
Kathrin Schadt im Interview mit KINDgerecht.
Woher stammt die Idee zum POEDU?
2020 saßen wir in Barcelona monatelang
in Quarantäne, die Schule war von März
bis September geschlossen. Für diese Zeit
zu Hause hatte ich einen Wochenplan
mit meiner Tochter entwickelt, Hausaufgaben, Gymnastik etc. und freitags eine
Stunde „Poesie“.
Um uns zu verbinden und auch anderen Familien im Lockdown die Langeweile zu vertreiben, habe ich über Facebook zum Mitmachen aufgerufen. Innerhalb weniger Tage gab es zahlreiche Anmeldungen, unter anderem meldeten
sich auch Autorinnen und Autoren, die
später selbst Aufgaben stellten.
Wie sehen diese Poesie-Aufgaben
aus?
Angefangen haben wir mit der ganz
grundsätzlichen Frage, zum Beispiel „Was
ist Poesie?“ Ziemlich rasch gab es dann
konkretere Aufgaben wie ein Lügengedicht (U. Wolf), einen Brief an Corona
(S. Can) oder ein Gedicht in Tiersprache (J.
Dathe). Stell Dir vor, Du bist ein Hund (J. Fix)!
Wie haben Sie die Kinder angeregt,
sich mit Gedichten zu beschäftigen?
Es gibt einmal die inhaltliche Ebene, hier
regen wir mit konkreten Fragen die Fantasie an. Die formale Ebene kann genauso inspirierend wirken, also das Spiel mit
Gedichtformen wie Akrostichon (T.
Brandt), Einreimer (M. Gutzschhahn), Figurengedicht (J. Wagner) oder Lautpoesie (S. Reyer). Meist ist es eine Kombination aus beidem.
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Wie gehen die Kinder mit den
Anregungen um?
Wir arbeiten viel mit Beispielen, auch um
die riesige Vielfalt zu zeigen, die Poesie
ermöglicht. Die Kinder ahmen aber nicht
nur nach. Sie nehmen die Gedichte als
Inspiration, schaffen dann aber ihre ganz
eigenen Werke. Mir hat das POEDU ein
weiteres Mal verdeutlicht, dass es sich
lohnt, Kindern zuzuhören, sie haben jede
Menge zu erzählen.
Gibt es Gedichtformen, die sich
besonders für Kinder eignen?
Alles kann Horizonte öffnen und inspirieren, ich würde mich hier auf keinen Fall
festlegen wollen. Viel Freude hatten die
Kinder, ein Rätsel als Gedicht (M. Stavarič),
oder ein Gedicht in D (P. Wilden) zu schreiben. Das heißt, jedes Wort beginnt mit einem D. Beliebt ist auch das Akrostichon,
bei dem die Anfangsbuchstaben jeder
Zeile vertikal gelesen ein Wort ergeben.
POEDU bietet inzwischen auch
Workshops an Schulen an. Was
empfehlen Sie pädagogischen
Fachkräften und Lehrkräften, die
gern mit Poesie/Gedichten mit
Kindern arbeiten möchten?
Beim POEDU regen wir dazu an,
selbstständig mit Sprache zu spielen und
alle Register der Ausdrucksformen zu
nutzen. Es gibt kein richtig oder falsch. Es
gibt auch kein Thema, das nicht funktioniert hat. Kinder finden auch zu vermeintlich schwierigen Themen wie Menschen mit Behinderung/chronischer Erkrankung oder Corona eigene Gedanken. Auch das Alter spielt erstmal keine
Rolle. Die jüngsten Kinder in der Werkstatt waren vier. Sie diktieren ihre Gedichte einem Erwachsenen, der sie aufschreibt.
Wie wurde bzw. wird die digitale
Werkstatt organisiert?
In einer geschlossenen und geschützten
Facebook-Gruppe posten wir die jeweilige Aufgabe im Feed und schicken sie
auch über E-Mail. Darauf können alle antworten, Fragen stellen und dann vor allem
ihre neuen Gedichte hochladen. Das passiert asynchron. Die Gedichte werden am
Ende des Monats beim POEDU und im Literaturmagazin MOSAIK veröffentlicht. Nach
einem Werkstattjahr erscheint dann das
Buch gepaart mit Illustrationen von Petrus
Akkordeon.
Kathrin Schadt ist Autorin und Journalistin und lebt
in Berlin und Barcelona. Sie ist unter anderem Gastgeberin für Literaturfestivals, darunter das internationale Poesiefestival „Otro modo de ser“. 2020
gründete sie die virtuelle Poesiewerkstatt POEDU,
deren Buch im ELIF Verlag erscheint. 2021 erschien
ihr dreisprachiges, gereimtes Kinderbuch „Greta
klebt da“ im Bübül Verlag.