KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Sechs Mythen zur Sprachentwicklung, Teil 1 - KINDgerecht Magazin für frühkindliche Bildung, Ausgabe 1, März 2022 - Magazin - Seite 16
KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Sechs Mythen zur Sprachentwicklung, Teil 1
Nachhaltige Verankerung der Schwerpunktthemen des
Bundesprogramms
Nach einer zweijährigen Verlängerung des Programms bis Ende
2022 steht das vorläufig letzte Förderjahr ganz im Zeichen der
nachhaltigen Verankerung der erreichten Qualitätsstandards.
Im 5. Zwischenbericht zur Evaluation des Bundesprogramms
(Anders et al. 2021) zeigte sich, dass die Ergebnisse der Evaluation den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Struktur und Qualität widerspiegeln.
So besteht im Falle eines Auslaufens der Förderung das Risiko,
dass sich ein Status Quo von Maßnahmen im Team verfestigt
und erfolgreiche Maßnahmen an Qualität verlieren, wenn die
strukturelle Rahmung für den trägerübergreifenden Austausch
im Verbund und die zusätzliche Begleitung einer themenspezifischen Fachberatung entfallen.
Die Strukturen, die auf personeller Ebene und für Vernetzungen
geschaffen wurden, stellen eine wichtige prozessbegleitende
Maßnahme im pädagogischen Alltag dar, die nach Ende des
Programmes an vielen Stellen deutlich fehlen könnte.
Im aktuellen Koalitionsvertrag wird eine Weiter
entwicklung und Verstetigung des Bundes
programms „Sprach-Kitas“ in Aussicht gestellt.
Angesichts des großen Stellenwerts der
Sprachentwicklung für Bildungsteilhabe und
Chancengerechtigkeit stellt die nachhaltige
Absicherung der Strukturen eine wünschenswerte Perspektive für die Zukunft dar.
Erfolge und Chancen im
Bundesprogramm „Sprach-Kitas“
Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der
Schlüssel zur Welt ist“ (2016–2022) ist eine Erfolgsgeschichte.
Mittlerweile ist jede zehnte Kindertageseinrichtung in
Deutschland eine Sprach-Kita. Je nach Größe werden eine
bis zwei zusätzliche Fachkräfte mit jeweils 19,5 Stunden vom
Bund gefördert. Sie begleiten ganzheitlich und systematisch
unter folgenden Schwerpunkten:
• alltagsintegrierte sprachliche Bildung
• inklusive Bildung
• Zusammenarbeit mit Familien
Referenzen
Anders, Yvonne/Kluczniok, Katharina/Ballaschk, Itala/Bartels,
Kai Caroline/Blaurock, Sabine/Grimmer, Julia/Große, Christiane/Hummel, Theresia/Kurucz, Csaba/Resa, Elisabeth/Then, Sebastian/Wieduwilt, Nadine/Roßbach, Hans-Günther (2021): Policy Brief zum fünften Zwischenbericht zur wissenschaftlichen
Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache
der Schlüssel zur Welt ist“. Ergebnisse der Beobachtungsstudie
zur pädagogischen Qualität in ausgewählten Sprach-Kitas. Berlin/Bamberg: Freie Universität Berlin, Otto-Friedrich-Universität
Bamberg. Abgerufen über https://sprach-kitas.fruehe-chancen.de (17.01.22)
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Eine Geschichte mit Wirkung
Niemand ahnte, welch großes Projekt
entstehen würde, als sich interessierte
Kinder im Leseraum vor dem Kamishibai,
einem bildgestützten Erzähltheater, zusammenfanden um der Geschichte „Die
kleine Maus sucht einen Freund“ von Eric
Carle zu lauschen. Wir betrachteten gemeinsam die Bildkarten und hörten die
Geschichte.
• digitale Medien
Die zusätzliche Fachkraft begleitet das Team bei der Umsetzung der Schwerpunktthemen des Bundesprogramms. Eine
direkte pädagogische Arbeit mit den Kindern und Familien
durch sie ist nur exemplarisch vorgesehen. In den letzten vier
Jahren wurden in den Sprach-Kitas diverse Impulse und Methoden eingeführt und ausprobiert. Im Vordergrund steht
dabei die Stärkenorientierung. Das bedeutet für die Fachkräfte, sowohl auf die Potenziale der Kinder einzugehen als
auch die Einrichtung in ihren bereits bestehenden Ansätzen
zu stärken. So wurden diverse Methoden erprobt und mit
den Schwerpunkten der jeweiligen Einrichtungen verknüpft:
•Videografie wurde als wertschätzendes und wertvolles
Mittel der Reflexion für die Situationsanalyse genutzt.
•Teams wurden durch kurze thematische Inputs für kulturelle Vielfalt, verschiedene Lebenswelten, Alltagsrassismus,
Willkommenskultur, Kinderrechte, beständige Teilhabe
und wertschätzende Kommunikation sensibilisiert.
•Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation wurden
im Hinblick auf Sprache genau differenziert.
•Die in der Kita angebotenen Materialien wurden im Sinne
von Vielfalt, inklusiver Pädagogik und Sprachanregung
unter die Lupe genommen.
Die Autorin:
Ulrike Henze arbeitet seit 2016 bei FRÖBEL.
Nach fünf Jahren im FRÖBEL-Kindergarten
Am Ring, wo sie unter anderem als zusätzliche Fachkraft im Bundesprogramm
„Sprach-Kitas“ gearbeitet hat, koordiniert sie
seit September 2021 den Aufbau von
Konsultationseinrichtungen.
AUS DER PRAXIS
Über die Online-Plattform des Bundesprogramms bereitgestellte Impulse und Materialien für die Arbeit wurden genutzt.
Gogolin, Ingrid (2020): Sprachliche Förderung, sprachliche Bildung und Lernen im Deutschen als Zweitsprache während
und nach der Pandemie, In: Fickermann, Detlef/Edelstein,
Benjamin (Hrsg.): „Langsam vermisse ich die Schule...“ Schule
während und nach der Corona-Pandemie. Münster/New
York: Waxmann, S. 175–188. Abgerufen über www. pedocs.de
(17.01.22)
Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den
Freien Demokraten (FDP) (2021). Abgerufen über www.spd.de
(17.01.22)
Schäfer, Karin (2021): Sprachbildung in Corona-Zeiten – Auswirkungen von pandemiebedingten Kita-Schließungen auf
Sprachentwicklung von Kindern und Sprachförderung in den
Kitas. Abgerufen über www.nifbe.de (17.1.2022)
Eine einsame Maus
stellt verschiedenen
Tieren die immer
wieder gleiche Frage: Wollen wir
Freunde sein? Alle
Tiere lehnen die
Freundschaft der
Maus ab. Erst als die
kleine Maus auf ihresgleichen trifft,
geht ihr Wunsch in
Erfüllung.
Aber ist es wirklich so, dass eine
Maus nur mit einer
Maus befreundet sein kann?
Diese simple Frage führte sofort zu
lebhaften Diskussionen. Die Meinungen
gingen weit auseinander. Mit Feuereifer
wurden Unterschiede der Tiere herausgearbeitet. Ihre verschiedenen Fähigkeiten,
Vorlieben und Fressgewohnheiten wurden besprochen.
Diese Energie galt es am Schopf zu
packen: Die besten Ideen entstehen einfach dort, wo Kinder voller Begeisterung
miteinander ins Gespräch kommen.
Warum kann eine Maus nicht mit einem Affen befreundet sein? Weil ein Affe
gut klettern kann und eine Maus nicht.
Und ein Affe passt nicht in so ein kleines
Mauseloch.
Muss der Affe denn die ganze Zeit
auf Bäumen klettern? Nein, der hat bestimmt auch mal Lust, auf dem Boden zu
spielen. Immerzu klettern ist ja auch sehr
anstrengend. Und die Maus muss ja auch
nicht immer im Mauseloch sitzen. Das ist
bestimmt langweilig.
Könnten die beiden dann vielleicht
doch ab und zu zusammen spielen? „Ja,
ich glaube, das würde schon gehen.“
„Glaube ich auch.“
Nachdem viele gute Ideen entstanden waren, beschlossen wir, die Geschichte weiterzuschreiben und ihr somit ein neu-
es Ende zu geben. Bei uns sollten die Unterschiede der Tiere einer Freundschaft nicht
länger im Wege stehen, denn „es ist doch
toll, wenn alle etwas anderes können.
Dann wird es beim Spielen nie langweilig“.
Kaum hatten wir unsere neue Geschichte vollendet, da wurde der Ruf
nach einer Bebilderung laut: „Wie sollen
wir die Geschichte sonst mit dem Kamishibai erzählen? Wir
können doch nicht
lesen.“ Also ran an
die Farbtöpfe. Spätestens als im Garten Papiere mit Fingerfarben ganzflächig eingefärbt
wurden, um Bilder
im Stil Eric Carles zu
gestalten, waren
auch die Allerkleinsten voller Begeisterung dabei. Nach
langen Stunden des
Wartens waren die
Papiere endlich
richtig trocken und konnten geschnitten
werden. Schritt für Schritt entstanden die
ergänzenden Bildkarten unserer Geschichte auf DIN A3 Kartonpapier für unser Kamishibai.
Schon wurde eine neue Idee geboren: Unsere Vorschulkinder, die eifrig an
der Weiterentwicklung und Bebilderung
beteiligt waren, schlugen vor, zusätzlich
ein Buch zu erstellen. So würde es auch ihnen möglich sein, die Geschichte mit
nach Hause zu nehmen. Gesagt, getan.
Sofort wurden die Bildkarten fotografiert
und mit Hilfe einer App entstand das
Buch.
Am Ende hielten wir acht neue Kamishibai-Bildkarten, ein eBook und viele
kleine gebundene Büchlein in den Händen. Zur Buchpremiere wurde unsere Version von „Die kleine Maus sucht einen
Freund“ von den Kindern selbst vorgestellt
und mit tosendem Applaus belohnt.
Unser Buchprojekt hat die Kinder vor
viele Herausforderungen gestellt. Kreativität, sprachliche und künstlerische Fähigkeiten, Durchhaltevermögen, technische
Affinität und Fantasie waren gefordert.
Am Ende hielten die Kinder jedoch
nicht nur großartige Medien in den Händen, auf die sie zu Recht sehr stolz sein
konnten. Die intensive Beschäftigung mit
den Themen Freundschaft und Unterschiedlichkeit hatte ganz behutsam auch
etwas in ihren Herzen in Bewegung gesetzt. Die Kinder haben ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass Vielfalt ganz normal ist.
Nicht nur bei den Tieren in der Geschichte,
sondern auch bei uns Menschen.
In unserer Kita gibt es Vorschul- und
Krippenkinder, Plaudertaschen und Träumer, Zauderer und Draufgänger, Kletteraffen und Leseratten, Hilfe-Holer und Selber-Macher. Vielfalt kann herausfordernd
und manchmal anstrengend sein. Aber
wenn sich jeder ein bisschen Mühe gibt,
sich einbringt, aber auch mal zurücknimmt, dann können wunderbare Dinge
entstehen.
Katharina Werth
FRÖBEL-Haus für Kinder
Eisnergutbogen
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