KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Sechs Mythen zur Sprachentwicklung, Teil 2 - KINDgerecht Magazin für frühkindliche Bildung, Ausgabe 1, März 2022 - Magazin - Seite 17
KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Sechs Mythen zur Sprachentwicklung, Teil 2
PHILOSOPHIEREN
SPEKULIEREN
WAS WÄRE,
Situation*: Die Kinder legen ein Gesichtsschema
(als Puzzle) zusammen. Dabei üben sie sich u. a. in der
genauen Lokalisation und dessen Beschreibung. (… die
Nase ist mitten im Gesicht, … zwischen den Augen, ... die
Augen sind unter der Stirn… usw).
Erzieher: „Was wäre denn, wenn wir die Augen ganz
oben auf dem Kopf hätten?“
Lucy: „Dann könnte man nur nach oben sehen.“
Erzieher: „Das könnte sein. Und was würdest du dann
sehen?“
ihre Beulen?“
„Philosophieren“
mit Kindern…
eigentlich sind das
nur große Worte
für alltägliche
Gespräche mit
und unter Kindern,
die unser Leben
reich, spannend
und unendlich
bunt machen.
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Im Alltag ergeben sich so viele Fragen
und sofort hat man einen Einstieg in
Spekulationen und fantasievolle Dialoge, mit denen Kinder ihre Welt erforschen und miteinander kommunizieren.
Nicht „richtig“ oder „ falsch“, sondern
die Vorstellung von Dingen, Vorgängen,
das Entstehen von Bildern im Kopf und
dies alles mit Freude in Sprache zu kleiden, steht hier im Vordergrund.
Was wäre, wenn wir fliegen könnten? Warum fällt alles zu Boden? Wo ist
der Himmel zu Ende? Welches ist die
größte Zahl? Was wäre, wenn wir die
Augen oben auf dem Kopf hätten?
Stellt euch vor, unsere Knochen wären
aus Gummi! Wie kühlen Mücken ihre
Beulen? Wohin verschwinden die Töne?
Viele solcher Gedanken sind in allen Bereichen unseres Alltags zu finden.
Es lohnt sich sehr, gemeinsam nach
ihnen zu suchen, denn es macht großen
Spaß, mit Kindern in fiktive Welten abzutauchen, Realitäten zu durchbrechen
und das Gefühl zu vermitteln, einfach
die Welt „auf den Kopf“ zu stellen.
So ergibt sich ein großer Raum zum freien Erzählen, Fragen stellen oder einfach um der Sprache „ihren Lauf“ zu
lassen und sie durch kindliche Wortschöpfungen zu bereichern.
Literaturtipps
Hosentaschen-Dialoge
Ein besonderes Material, das Dialoganregungen für den Alltag liefert. Auf
kleinen Karten sind Fragen notiert, die
zum Philosophieren mit Kindern einladen.
Hildebrandt, Frauke/Dreier, Annette
(2014): Was wäre, wenn…?
Fragen, nachdenken und spekulieren
im Kita-Alltag
Ein tolles Fachbuch, was einerseits theoretisch und andererseits aus praktischer Sicht den sprachförderlichen
Potenzialen des Alltags nachgeht. Ein
Buch, das Lust auf Nachdenkgespräche mit Kindern macht.
Lucy: „Die Wand da oben (zeigt auf die Decke) und die
Lampe da.“
Erzieher: „Stellt euch vor, wir wären draußen!“
Alina: „Die Sonne und Himmel.“
Julian: „Und Sterne und Mond.“
Erzieher: „Ja, ohne den Kopf zu heben, könnten
wir oben alles in Ruhe betrachten. Aber wenn wir dann
durch die Stadt laufen müssten, wie sollte das denn gehen?“
Lucy: „Dann wärn wa umgefahrn.“
WENN…?
„Wie kühlen Mücken
Erzieher: „Oje, was müssten wir denn tun, damit
wir alles genau sehen können und uns so etwas nicht
passiert? Habt ihr eine Idee?“
Lucy: „Dann muss man sich hinlegen.“
Erzieher: „Ja, das könnte gehen. Aber wenn es
kalt ist oder dort eine Pfütze ist, dann möchte ich mich
lieber nicht hinlegen. Was dann?“
Lucy: „Dann muss man so runter machen mittn Kopf.“
(zeigt es)
Erzieher: „Aber auf dem Boden könnten wir dann nichts
sehen oder was meint ihr?“
Julian: „Da musste man so ganz runter und so laufen.
Und dann falln wa um, so.“
(Kinder probieren es aus, stoßen aneinander, lachen)
Erzieher: „Das wär ja ganz schön umständlich.
Da können wir aber froh sein, dass die Augen im Gesicht
sind.“
Kinder: „Ja, bloß gut.“ (lachen)
Die Autorin:
Viola Saretz arbeitet als zusätzliche Fachkraft für
Sprachförderung im FRÖBEL-Kindergarten
Sonnenschein in Cottbus.
*In der beschriebenen Situation handelt es sich um Kinder
im Jahr vor der Einschulung.
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