KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Pluspunkt Mehrsprachigkeit, Quellen und Verweise - KINDgerecht Magazin für frühkindliche Bildung, Ausgabe 1, März 2022 - Magazin - Seite 7
KINDgerecht - Magazin für frühkindliche Bildung, Pluspunkt Mehrsprachigkeit, Quellen und Verweise
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Zur Beobachtung und Erfassung des Sprachstands bei Kindern im Kita-Alter sind verschiedene Verfahren im Einsatz.
Dabei kann unter anderem zwischen Tests, Screenings und
Beobachtungsverfahren unterschieden werden. Die Verfahren bieten unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten
und verfolgen verschiedene Ziele.
Screenings sind in der Regel schnell durchzuführen und helfen bei einer ersten Einschätzung einer altersgerechten
Sprachentwicklung. Wichtig ist, dass bei einem Verdacht auf
eine nicht altersgerechte Sprachentwicklung immer eine
weitere und differenziertere Beobachtung folgen sollte.
Beobachtungsverfahren bieten eine differenziertere Einschätzung und eignen sich für eine direkte Verknüpfung zwischen den Ergebnissen und der Auswahl passgenauer
sprachbildender Maßnahmen. Der Fokus liegt auf dem
Sprachhandeln der Kinder, das in alltäglichen Situationen
beobachtet wird.
Testverfahren haben die höchste Aussagekraft, wenn es um
die Einschätzung eines altersgerechten Sprachstands von
Kindern geht. Sie sind das Mittel der Wahl, wenn das Ziel eine
weiterführende, fachlich fundierte Diagnose ist. Insbesondere bei Verdacht auf eine Sprachentwicklungsstörung sollte dieses Verfahren daher gewählt werden, damit Kinder
eine passgenaue Unterstützung (z. B. Therapie) erhalten
können. Die Anwendung erfolgt jedoch nicht durch pädagogische Fachkräfte, deswegen ist eine enge Zusammenarbeit mit den Familien und das Weiterleiten an entsprechende Professionen entscheidend.
In Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise im Kinderbildungsgesetz verankert und in entsprechenden Broschüren des Ministeriums ausgeführt, dass spätestens ab einem halben Jahr
nach Aufnahme des Kindes in der Kindertageseinrichtung regelmäßig im Abstand von maximal einem Jahr eine Sprachentwicklungsbeobachtung mit einem wissenschaftlich fundierten Beobachtungsverfahren durchzuführen ist. Dafür stehen
sowohl für Kinder unter drei Jahren als auch für Kinder über drei
Jahren jeweils drei Verfahren zur Auswahl, unter anderem Sismik, Seldak und BaSiK.
Im Niedersächsischen Gesetz über Kindertagesstätten und
Kindertagespflege wird erst mit Beginn des letzten Kindergartenjahres für Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung die Erfassung der Sprachkompetenz verbindlich festgeschrieben,
ohne ein spezifisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren vorzugeben.
In Sachsen gibt es zur Beobachtung und Dokumentation
der Sprachentwicklung keine gesetzlichen Vorgaben und
auch im Sächsischen Bildungsplan nur sehr allgemeine Ausführungen zur Beobachtung und Dokumentation im Allgemeinen.
Eine Einschätzung des Sprachstands erfolgt durch ein Screening-Verfahren, allerdings durch den kinder- und jugendärztlichen Dienst der Gesundheitsämter, nicht durch die pädagogischen Fachkräfte in der Kindertageseinrichtung.
Neben den sehr diversen Vorgaben ist aufgrund aktueller
Entwicklungen in einigen Bundesländern zusätzlich anzunehmen, dass in Zukunft weitere Vorgaben und Verfahren hinzukommen. So wurde die Fachhochschule Potsdam beispielsweise von der Berliner Senatsverwaltung damit beauftragt, die bestehenden Verfahren zur Sprachstandsfeststellung und zur Be-
obachtung und Dokumentation in Kindertageseinrichtungen
weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Dabei soll ein digital gestütztes Instrument zur alltagsintegrierten Beobachtung, Dokumentation und Einschätzung der kindlichen Entwicklungs- und
Lernprozesse entstehen.
Einheitliche Strategie statt Flickenteppich
Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Feld der
Sprachentwicklungsbeobachtung in Kindertageseinrichtungen durch eine große Vielfalt bis hin zur Unübersichtlichkeit gekennzeichnet ist. Zwar sind wir im es Bildungsföderalismus gewohnt, dass in den Bundesländern unterschiedliche Rahmenbedingungen und Vorgaben gelten und in vielen Bereichen ist
es auch wünschenswert, dass Träger und Einrichtungen individuell und bedarfsgerecht eigene Schwerpunkte setzen und
Prozesse unterschiedlich gestalten können. Im Sinne der Chancengerechtigkeit und um bundesweit alle Kinder gleichermaßen in ihrer Sprachentwicklung unterstützen zu können, sollte
die Sprachentwicklungsbeobachtung von Kindern jedoch in
allen Kindertageseinrichtungen nicht nur systematisch er
folgen, sondern auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
berücksichtigen und entsprechend geprüfte Verfahren ein
setzen.
Grundsätzlich sind hierfür verschiedene Verfahren und Ansätze nutzbar, allerdings sollten ressourcenorientierte Ansätze,
die die Heterogenität von Kindern – wie beispielsweise Mehrsprachigkeit und Zweitspracherwerb – berücksichtigen und
individuelle Kompetenzen und Entwicklungspotenziale in den
Mittelpunkt stellen, defizitorientierten Verfahren vorgezogen
werden.
Der beschriebene bunte Strauß zeigt sich natürlich auch in
den FRÖBEL-Einrichtungen in zwölf Bundesländern. Aus diesem Grund hat FRÖBEL sich im Rahmen der trägereigenen
Strategie 2020–2030 zum Ziel gesetzt, die systematische und
fachlich fundierte Beobachtung und Dokumentation der
kindlichen Sprachentwicklung flächendeckend einzuführen
beziehungsweise deren Umsetzung verstärkt zu unterstützen.
Bei FRÖBEL soll die Sprachentwicklung künftig
mindestens zu zwei Zeitpunkten mit einem
wissenschaftlich fundierten Verfahren
beobachtet und dokumentiert werden.
FRÖBEL bringt dabei die eigenen Vorgaben mit den jeweiligen Landesvorgaben in Einklang. Ziel ist es, dass während der
Kita-Zeit für alle Kinder mindestens zu zwei Zeitpunkten ein wissenschaftlich fundiertes Beobachtungsverfahren angewendet wird. Die Einrichtungen können das für sie passende Verfahren selbst aus einer Auswahl an geprüften Verfahren wählen. Bei der Auswahl der Verfahren werden unter anderem
eine Anwendung durch pädagogische Fachkräfte im pädagogischen Alltag, die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit
sowie die Möglichkeit, die Ergebnisse mit passenden Maßnahmen der Sprachbildung zu verknüpfen, berücksichtigt.
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Damit die Beobachtung und Dokumentation für die Kinder
einen echten Mehrwert hat, ist die Nutzung der Beobachtungsergebnisse von zentraler Bedeutung. Wie eine Verknüpfung zwischen den Ergebnissen und sprachbildenden Maßnahmen gelingen kann, ist im Beitrag „Sprachentwicklung
beobachten – und dann?“ auf S. 24/25 ff. beschrieben.
Die Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte steht
deswegen an erster Stelle. Die flächendeckende Einführung
bei FRÖBEL wird daher schrittweise bis 2024 von einer breiten
Qualifizierungsinitiative begleitet.
Referenzen
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020). Bildung in
Deutschland 2020. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer
Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Verfügbar unter: https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichteseit-2006/bildungsbericht-2020/pdf-dateien-2020/bildungsbericht-2020-barrierefrei.pdf (Zugriff am 28.02.2022)
Faas, S.; Götze, A.; Müller, C. (2021). Sprachstandsfeststellung, Sprachförderung und sprachliche Bildung. Pädagogisches Gutachten 8/2021, Pädquis Stiftung im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Verfügbar unter: https://mbjs.brandenburg.de/
media_fast/6288/gutachten_kitarr_sprachstandsfeststellung%2C_sprachfoerderung_und_sprachliche_bildung.pdf
(Zugriff am 28.02.2022).
Kita-Gesetze der Bundesländer und ihre Ausführungs
vorschriften, Bildungs- und Orientierungspläne der Bundesländer
Die Autorin:
Nele Hage ist Sozial- und Bildungswissenschaftlerin
(M. A.). Sie ist als Referentin für Pädagogik und
Qualitätsentwicklung bei FRÖBEL für das Thema
Sprachbildung zuständig.
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