Magazin KINDgerecht Ausgabe 1-2023, Juli: „Piep, piep, piep, guten Appetit.” Mahlzeiten und Ernährung als nachhaltiges Bildungsmoment in Kitas - Magazin - Seite 3
TITELTHEMA
Der höhere Anteil von jungen Kindern
mit (mehreren) Zahnfüllungen, Adipositas oder Allergien hat jedoch nicht nur
finanzielle Gründe. Je geringer der Bildungsgrad der Eltern ist und je mehr belastende Faktoren – sozial, psychisch,
gesundheitlich – die eigene Familie
stemmen muss, desto schlechter stehen
die Chancen für ein Kind, gesund aufzuwachsen.
Eine Frage
der Gerechtigkeit
Mehrgewicht, schlechte Zähne,
Diabetes – dies können Symptome
unausgewogener Ernährung bei
Kindern sein. Der Anteil von Kindern,
die unter den Folgen von ungesunder
Ernährung und Bewegungsmangel
leiden, stagniert seit Jahren auf einem
viel zu hohen Niveau. Aber ist die
Situation überall in Deutschland
gleich? Nein. Der kürzlich veröffentlichte AOK-Gesundheitsreport 2022
zeigt am Beispiel Kölns, wie sehr sich
der Gesundheitszustand von Kindern
in (teureren) Innenstadtlagen im Vergleich zu sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen wie Chorweiler,
Kalk oder Mülheim unterscheidet.
Um gesunde und nachhaltige Ernäh- Die Atmosphäre beim Essen ist entrung mit guter Ernährungsbildung zu ver- spannt und zeichnet sich durch ein
binden, setzen wir auf Synergien. Nur gemütliches Beisammensein aus. Die
wenn Küchenkräfte und pädagogische pädagogischen Fachkräfte sitzen mit
Fachkräfte ihre
am Tisch und es
Kompetenzen bün- „Durch die Teilhabe an
gibt genügend
deln, ist eine ganz- Zubereitungs- und KochproZeit und Raum für
heitliche ErnähT i s c h gespräche.
zessen entwickeln Kinder
rungsbildung erEine solche Tischfolgreich. So nut- Wertschätzung für Lebensmittel
kultur ermöglicht
zen Einrichtungen und Mahlzeiten.“
neben einer geDabei hat laut UN-Kinderrechtskonven- Spaziergänge in
sunden Ernährung
tion jedes Kind das Recht auf Gesund- den Sozialraum beispielsweise, um auf vor allem auch wertvolle Beziehungsheit und damit auch auf eine Mahlzei- dem Wochenmarkt Obst und Gemüse und Bildungsmomente. Um herauszufintengestaltung, die vollwertige Ernäh- einzukaufen. Immer mehr Einrichtungen den, ob es Kindern geschmeckt hat,
rung und Ernährungsbildung miteinan- verfügen über einen eigenen Acker, der bieten sich zum Beispiel einfache Abder verbindet – die Politik unternimmt oftmals gemeinsam mit unserem Ko- stimmungsmöglichkeiten an. Kinder erallerdings seit Jahren wenig dafür, die- operationspartner „Acker e.V.“ ange- leben dadurch, dass sie aktiv nach ihrer
ses Recht umzusetzen. Als Träger von legt wurde. Hier erleben Kinder das na- Meinung gefragt werden und sie mit ihKindertageseinrichtungen sehen wir uns türliche Wachstum von Gemüse, die rer Meinungsäußerung etwas bewirken
deshalb in besonderer Verantwortung, Notwendigkeit der Pflege und natürlich können.
Kindern vielseitige Kost anzubieten. Da- große Freude bei der Ernte. In der Kinderrin liegt aber auch die einmalige Chan- küche kann das Gemüse dann gemein- Bildungsarbeit in Kitas bietet allen Kince, sie früh für eine gesunde und nach- sam zu Aufstrichen, Gemüsesticks oder dern gleichermaßen die Chance, ein
haltige Ernährung zu begeistern – und Salaten verarbeitet werden. Durch die Bewusstsein für eine gesunde Lebensihre Familien im besTeilhabe an Zube- weise zu entwickeln. Dabei spielen neten Fall ebenso.
reitungs- und Koch- ben der Nahrungszubereitung und den
„Als Bildungsorte haben Kitas
prozessen entwi- gemeinsamen Mahlzeiten auch der Gedie einmalige Chance,
Die meisten FRÖckeln Kinder Wert- nuss, die Partizipation sowie die VermittBEL-Einrichtungen Kindern vielfältige kulinarische
schätzung für Le- lung einer gesunden Ernährungsweise
verfügen über eine Angebote zu machen – und
bensmittel und eine wichtige Rolle. Eine gute Zusameigene Frischkü- sie für gesunde Ernährung zu
Mahlzeiten. Sie er- menarbeit mit den Familien ist die Vorche. Das Küchenleben sich selbst aussetzung für eine gelingende ganzbegeistern!“
personal bildet sich
als Gestalterinnen heitliche Ernährungsbildung. Ideen, wie
regelmäßig fort,
und Gestalter von dies im Kita-Alltag auch vor dem Hinterum die angebotenen Mahlzeiten an Speisen, erfahren damit Selbstwirksam- grund zunehmender kultureller Diversiden aktuellen Ernährungsstandards der keit und erweitern ganz nebenbei ihr tät umgesetzt werden kann, teilen wir in
Deutschen Gesellschaft für Ernährung Wissen über eine gesunde und nachhal- diesem Heft. Ermöglichen wir gemein(DGE) auszurichten und sich neue Inspi- tige Ernährung.
sam mit den Familien allen Kindern ein
ration in die Kita-Küche zu holen. Saisogesundes Aufwachsen!
nale und regionale Lebensmittel – wenn Was in der Küche gekocht wird, können
möglich in Bioqualität vom Wochen- Kinder in vielen Einrichtungen bereits
markt, direkt vom Bauern oder einer Ag- mitbestimmen. Eine partizipative Speiserargenossenschaft oder sogar vom ei- plangestaltung bietet wunderbare Mogenen Kita-Acker – spielen bei der Spei- mente, um mit Kindern über nahrhafte
seplangestaltung eine immer größere Lebensmittel und Speisen ins Gespräch
Rolle. Viele Einrichtungen haben bereits zu kommen und Mahlzeiten entspreganz auf ein rein vegetarisches Ange- chend zu gestalten. Die Speisen werden
bot umgestellt.
in kleinen Schüsseln, Kannen und auf
Tellern auf den Tischen platziert oder als Von Neele Friedrich (links), Referentin
Die Verbindung von gesunder Ernäh- Buffet angerichtet. Die Kinder können Pädagogik und Qualitätsentwicklung, und
rung und Ressourcen schonendem Ein- selbst entscheiden, was sie essen und Elisa Steinfeldt, Leiterin Abteilung Pädagogik
kauf ist für viele Menschen mit einem wie viel sie sich auftun möchten. Dabei und Qualitätsentwicklung
begrenzten Budget durchaus eine Her- wird die Selbstständigkeit von Kindern
ausforderung. Deshalb haben wir uns gefördert. Sie entwickeln ein VerständUnterstützung von Partner:innen wie der nis dafür, wie viel sie sich entsprechend
Sarah Wiener Stiftung, Kantine Zukunft ihres Hungergefühls nehmen können,
(Berlin) und der Verbraucherzentrale um satt zu werden, und gleichzeitig so
NRW geholt.
wenig wie möglich Reste auf dem Teller
zu lassen, die entsorgt werden müssten.
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