Magazin KINDgerecht Ausgabe 1-2023, Juli: „Piep, piep, piep, guten Appetit.” Mahlzeiten und Ernährung als nachhaltiges Bildungsmoment in Kitas - Magazin - Seite 11
WAHR ODER FALSCH?
„Kinder brauchen spezielle
Kinderlebensmittel.“
Mythen über
Über kindliche Essgewohnheiten und
Ernährung kursieren viele Mythen. Einige halten sich hartnäckig. Wir räumen
damit auf – mit wissenschaftlich fundierten Informationen. Was wissen Sie?
„Süße Snacks machen Kinder hyperaktiv.“
Süße Snacks haben genau wie andere gesüßte Lebensmittel
einen hohen Energiegehalt bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte. Sie sollten Kindern nur selten und in kleinen Mengen angeboten werden – auch um Karies und Übergewicht
vorzubeugen. Der Zusammenhang zwischen Süßem und
Hyperaktivität wird wissenschaftlich kontrovers diskutiert.
Stimmen die folgenden sechs Aussagen oder nicht? Machen Sie den Test!
„Kinder sollten alles auf ihrem
Teller aufessen.“
Nein! Kinder lernen auf ihr Sättigungsgefühl selbst zu achten –
wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen. Viel wichtiger ist
es daher, dass Kinder selbst entscheiden, wie viel sie sich auftun und die Mengen einschätzen lernen, die sie brauchen, um
satt zu werden. Das gilt selbstverständlich auch, wenn Dinge
auf ihrem Teller landen, die sie nicht mögen. Auch hier können
Kinder sehr gut selbst entscheiden, was sie probieren möchten und was ihnen nicht schmeckt.
Nein! Kinder können etwa ab dem Alter von einem Jahr genauso essen wie „die Großen“. Eine ausgewogene Ernährung
kann ohne Lebensmittel in „Kinderoptik“ wie Milchgetränke,
Frühstücks-Cerealien oder Püriertes aus Quetschbeuteln erreicht werden. Meistens handelt es sich dabei nur um Marketing-Maßnahmen der Firmen.
„Kinder mögen kein bitteres Essen.“
Wahr! Insgesamt können Menschen fünf Geschmacksrichtungen unterscheiden: süß, sauer, salzig, bitter, umami – das ist
der Geschmack von Glutaminsäure bzw. Glutamat. Wir werden bereits mit Geschmacksvorlieben geboren. Bitteres und
Saures wird abgelehnt, Süßes und Lebensmittel mit UmamiGeschmack werden als angenehm empfunden. Alle Geschmacksrichtungen haben eine Funktion: Süß/umami stehen
für Energiezufuhr, salzig für das Elektrolytgleichgewicht und ein
saurer bzw. bitterer Geschmack warnt vor verdorbenen bzw.
unverträglichen Substanzen in der Nahrung. Evolutionsbiologisch hat die Ablehnung von bitterem Geschmack also eine
Schutzfunktion. Eine Toleranz kann im Erwachsenenleben jedoch entwickelt werden, wenn wir im Laufe unseres Lebens
positive Erfahrungen mit einzelnen Lebensmitteln einer ursprünglich abgelehnten Geschmacksrichtung machen.
Es gibt einen Unterschied: Der TAS2R38 ist einer von etwa 25
Bitterrezeptortypen, über die wir verfügen. Damit schmecken
wir eine Bitterstoffgruppe, die besonders in Kohlsorten vorkommt. In der menschlichen Bevölkerung gibt es zwei Varianten. Ca. 70 Prozent der Menschen nehmen den bitteren Geschmack wahr, 30 Prozent können ihn nur in sehr hoher Konzentration schmecken.
„Fettarme oder fettfreie Lebensmittel
sind immer gesünder.“
Falsch! Kinder brauchen, genau wie Erwachsene, alle Makronährstoffe, auch Fette. Letztlich entscheiden Menge und
Qualität der Fette darüber, ob sie diese gesund sind. Besonders gesättigte Fettsäuren wie in Wurstwaren oder Butter sollten Kindern sparsam angeboten werden. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie in Raps- oder Leinöl sind wichtig für die
Gesundheit und die Entwicklung von Kindern.
kindliches
Essverhalten
„Rein vegetarische oder vegane
Ernährung ist für Kinder ungesund.“
Stimmt teilweise: Eine ausgewogene vegetarische Ernährung
mit Milchprodukten und Eiern kann den Nährstoffbedarf von
Kleinkindern decken. Wichtig ist es, dabei auf die Eisen- und
Zinkzufuhr zu achten. Eine vegane Ernährung wird für Kleinkinder nicht empfohlen. Ohne die richtige Auswahl an Lebensmitteln und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln
führt sie zu einem Nährstoffmangel, der der kindlichen Entwicklung auf Dauer schadet. Entscheiden Eltern sich dennoch dafür, ihr Kind vegan zu ernähren, sollte dies ärztlich begleitet und eine qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch
genommen werden.
Für die Beantwortung der Fragen bedanken wir uns bei:
1: Kassandra Ribeiro (Referentin FRÖBEL)
2–5: Netzwerk Gesund ins Leben,
Handlungsempfehlungen für Ernährung
und Bewegung im Kleinkindalter
6: Dr. Maik Behrens, Leibniz-Institut für LebensmittelSystembiologie an der Technischen Universität München
(Leibniz-LSB@TUM)
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