Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 21
Mögen Sie das an einem Beispiel
erklären?
Eine Haltungsänderung bedeutet zum
Beispiel, an einem Kind nicht „herausforderndes Verhalten“ wahrzunehmen,
sondern die herausfordernde Situation,
in der es sich be昀椀ndet. Wann und in welchen Situationen beginnt ein Kind, sich
unwohl zu fühlen und mit Aggression
oder Rückzug zu reagieren? Wir dokumentieren das, besprechen es in unseren Teamrunden und versuchen dann,
die Situation zu verändern. Das kann
bedeuten, für ein Kind eine ruhigere Essenssituation zu schaffen oder einem
Kind zu erlauben, sich während des
Morgenkreises im Raum zu bewegen.
Nicht das Kind muss sich anpassen, sondern das System Kita.
Und das akzeptieren die anderen
Kinder?
Ja, sie verstehen meist schnell, dass individuelle Regeln für einzelne Kinder
kein Privileg sind, sondern eine notwendige Bedingung dafür, dass das Kind
sich wohlfühlt und an Gruppenaktivitäten teilnehmen kann. Sie erleben auch,
dass Kinder unterschiedlich mit den pädagogischen Fachkräften oder anderen Kindern kommunizieren. Für Kinder,
die sich (noch) nicht lautsprachlich mitteilen, haben wir zur Unterstützung ein
grünes „Kommunikationsbuch“ angelegt, in das wir die von den Kindern
meistgenutzten Symbole einheften, ergänzt mit Fotos der pädagogischen
Fachkräfte. So kann ein Kind zeigen,
von welcher Fachkraft es sich etwas
wünscht, zum Beispiel Begleitung zu einem bestimmten Spielgerät auf dem
Außengelände, und erfährt dadurch
zugleich Selbstwirksamkeit.
Wie kommt das bei Ihren Kollegin
nen und Kollegen an?
Natürlich bedeutet manches zunächst
einen Mehraufwand – wir müssen Kinder mitunter einzeln oder in sehr kleinen
Gruppen begleiten, uns reichlich Zeit
für Beobachtung und Dokumentation
nehmen, Berührungsängste abbauen
und auch viel lernen, uns zum Beispiel
alle mit Unterstützter Kommunikation
auseinandersetzen. Darauf sind viele
Fachkräfte nicht vorbereitet, weil dies
in der Ausbildung kaum auftaucht.
Aber wenn wir sehen, dass eine Maßnahme wirkt und es einem Kind besser
geht, entlastet das wiederum den KitaAlltag. So manche Veränderung oder
besondere Regel können wir nach ei-
ner Weile wieder abschaffen, weil das
Kind sie nicht mehr braucht. Und wir lassen uns im Team gegenseitig natürlich
nicht allein. Wir beraten uns regelmäßig, besorgen Fachliteratur und bilden
uns fort. Das Schöne ist ja, dass von Rollstuhlrampen, Piktogrammen und auch
von solidem Fachwissen wir alle pro昀椀tieren, am meisten natürlich die Kinder.
Was haben Sie noch für Aufgaben
als Multiplikator für Inklusion?
Ich kümmere mich zum Beispiel darum,
zusätzliche Ressourcen zu aktivieren. So
p昀氀ege ich den Kontakt zum Forschungsund Beratungszentrum für Unterstützte
Kommunikation der Uni Köln, das uns
fachlich sehr unterstützt. Und ich beantrage und beschaffe diverse Materialien und spezi昀椀sche Hilfsmittel oder berate und unterstütze Eltern bei entsprechenden Anträgen. Dabei könnte ich
übrigens in der Kita-Sozialarbeit gut unterstützen, wenn ich einen Wunsch frei
hätte.
Wie haben Sie sich fachlich auf Ihre
Aufgabe vorbereitet?
Durch meine Ausbildung als Heilerziehungsp昀氀eger und meinen beru昀氀ichen
Werdegang bringe ich einiges an Erfahrung mit. Mir war immer schon wichtig, Strukturen zu hinterfragen und zu
verbessern und mich nicht mit Gegebenheiten „abzu昀椀nden“. FRÖBEL unterstützt das – mit Fortbildungen, -beratung und Netzwerktreffen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Deshalb
habe ich mich direkt nach meiner Einstellung für die Quali昀椀kation zum Multiplikator für Diversität und Inklusion beworben und konnte schon kurz nach
der Probezeit mit den Fortbildungen
beginnen. Für meine Aufgaben habe
ich die doppelte Vorbereitungszeit zur
Verfügung, tariflich abgesichert. So
etwas gibt es bei keinem anderen Träger, und das zeigt mir, dass FRÖBEL es
ernst meint mit der Inklusion und ich hier
richtig bin.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Rolle als
Multiplikator am besten?
Mich begeistert das hohe fachliche Niveau, auf dem wir uns bewegen. Hier
bin ich nicht Pionier, sondern Teil einer
Inklusions- und damit Zukunftsbewegung – gemeinsam mit meinem so motivierten Team und den „Inklusions-Multis“ aus anderen Kitas in ganz Deutschland. Am meisten gefällt mir aber, dass
wir hier in der Kita Kinder und Familien in
einer oftmals sehr kritischen Phase kompetent und voller Optimismus begleiten
können – um Kindern den Weg in eine
bestmögliche Bildungslaufbahn zu ebnen.
Florian Fritz, Heilerziehungsp昀氀eger, arbeitet
seit 2020 im Kölner FRÖBEL-Kindergarten und
Familienzentrum Villa Charlier – mittlerweile
als fertig ausgebildeter Multiplikator für
Diversität und Inklusion.
Zum Weiterlesen:
Monika Waigand (Hrsg.), Claudio
Castañeda, Nina Fröhlich: (K)eine
Alternative haben zu herausforderndem Verhalten?! (Verlag UK-Couch,
2019)
Monika Waigand (Hrsg.), Claudio
Castañeda, Nina Fröhlich: Unterstützte Kommunikation (Verlag
UK-Couch, 2020)
Forschungs- und Beratungszentrum
für Unterstützte Kommunikation der
Universität zu Köln:
www.fbz-uk.uni-koeln.de
Mehr zu Fach- und
Führungskarrieren bei FRÖBEL:
www.froebel-gruppe.de/fachkarriere-fuehrungskarriere
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