univie 3/2020 SCREEN - Magazin - Seite 11
SCHWERPUNKT
KRISENBEWÄLTIGUNG.
Um Ausnahmesituationen wie die aktuelle
Pandemie gut zu überstehen, ist es hilfreich,
aus der eigenen Resilienz zu schöpfen. Was
uns psychisch stabil und widerstandsfähig
macht und warum auch die Verletzlichkeit
ihren Wert hat, haben uns Psycholog*innen
und Theolog*innen erzählt. Und aus der
Geographie erfahren wir, was resiliente
Systeme ausmacht und was wir aus der
Corona-Pandemie für andere Katastrophen
wie den Umweltwandel lernen können.
TEXTE: SIEGRUN HERZOG
FOTO: SHUTTERSTOCK/PHOTOGRAPHEE.EU
W
as wir schon alles ausgehalten haben“, stellt die
Psychologin Brigitte Lueger-Schuster angesichts
der seit ziemlich genau einem Jahr andauernden kollektiven Ausnahmesituation durch Corona anerkennend fest. Die Professorin für Psychotraumatologie an
der Universität Wien findet, dass die Gesellschaft tatsächlich extrem stark ist. „Wir funktionieren immer noch. Vielleicht ein bisschen grantiger, irritierter und gereizter, aber
im Grunde schaffen wir es, die Disziplin weitgehend aufrechtzuerhalten, um das zu tun, was notwendig ist.“ Wie
wir mit dieser Situation zurechtkommen, ist auch eine
Frage der Resilienz. Damit gemeint ist unsere psychische
Widerstandskraft, die es ermöglicht, uns an schwierige
Lebenssituationen anzupassen und nach stressigen Phasen
der Anspannung wieder zurück auf ein Ausgangsniveau zu
pendeln. Wo dieses Ausgangsniveau angesiedelt ist, sei
individuell höchst unterschiedlich und habe biografische,
soziale sowie entwicklungspsychologische Gründe, so die
Psychologin. Außerdem komme es stark auf die Ressourcen
an, die ein Mensch zur Verfügung hat. Und damit sind
nicht nur finanzielle Ressourcen gemeint, auch die Faktoren Bildung oder gesellschaftliche Integration spielen eine
Rolle. Besonders tragisch: Menschen, die wenig haben, verlieren in der Krise mehr als Menschen, die viel haben. Die
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