univie 2/2023 - Magazin - Seite 12
SCHWERPUNKT
Von der Natur inspiriert.
Die Kannenpflanze (Nepenthes)
lieferte die Idee zur Entwicklung
einer neuartigen, besonders
rutschigen Oberfläche.
„Wenn es darum geht, nachhaltige,
recyclingfähige Materialien
herzustellen – darin ist die
Natur ungeschlagen.“
Jia Min Chin, Chemikerin Uni Wien
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die sowohl aus organischen als auch aus anorganischen
Molekülen bestehen und laut Chin „das Beste aus beiden
Welten“ vereinen.
MOFs sind 1.000-mal kleiner als ein Sandkorn. Dennoch
ist ihre Oberfläche sehr groß: Ein Gramm des Materials
kann die Oberfläche von mehr als einem Fußballfeld
aufweisen, was einer Fläche von ca. 8.000 m² entspricht.
„Zurückzuführen ist das auf die Oberfläche seiner Poren,
die man sich ähnlich einem Schwamm vorstellen kann“,
erklärt die junge Chemikerin, die in Singapur und England
geforscht und ihren PhD am MIT bei Nobelpreisträger
Richard R. Schrock absolviert hat.
Dabei sind die Kleinteilchen auch noch extrem vielseitig:
„Man kann sie modulartig und vor allem sehr präzise
zusammensetzen, jedes Teil hat dabei eine ganz
bestimmte Eigenschaft – das kann man sich in etwa
so vorstellen, als würde man ein Auto mit speziellen
Fähigkeiten auf molekularer Ebene designen.“
In ihrem aktuellen Projekt beschäftigt Chin die Frage,
wie man die vielversprechenden MOFs mit Hilfe von
elektromagnetischen Feldern gezielt manipulieren kann.
VON DER NATUR INSPIRIERT. In ihrer Forschung lässt
sich Jia Min Chin gerne von der Natur inspirieren. In einer
aktuellen Arbeit, gemeinsam mit der PhD-Studentin
Tanja Eder, haben sich die Forscherinnen beispielsweise
den Fangmechanismus einer fleischfressenden
FOTO: S. 12: SHUTTERSTOCK · S. 13: LEI SHI
MATERIALFORSCHUNG NACH DEM
BAUKASTEN-PRINZIP. Ziel der modernen Materialforschung ist es, die Eigenschaften von Werkstoffen auf
Nano-Ebene kontrollierbar zu machen: „Dazu spielen
wir sozusagen Lego mit ihnen: Wir stecken die Moleküle
auf unterschiedliche Weise zusammen und verändern
dadurch ihre Eigenschaften“, erklärt Jia Min Chin,
Forschungsgruppenleiterin am Institut für Funktionelle
Materialien und Katalyse der Fakultät für Chemie. Ihre
besondere „Spielwiese“ sind sogenannte metallorganische
Gerüstverbindungen, kurz MOFs: molekulare Materialien,