univie 3/2022 - Magazine - Page 14
SCHWERPUNKT
Nach den vergangenen Corona-geprägten
Jahren ist das Klimathema wieder
prominent zurück in den Schlagzeilen,
sehen Sie das positiv?
Das ist eine Notwendigkeit und nicht mehr
wegzudenken. Wir lesen heute Schlagzeilen wie „Europa kämpft mit der Hitze“,
früher hieß es eher „juhu, es ist heiß“. Ich
wäre froh gewesen, wenn wir die Dringlichkeit dieses Themas früher erkannt hätten,
denn die Wissenschaft ist sich hier schon
sehr lange klar. Seit den 70er-Jahren ist der
Klimawandel quasi ein Faktum. Und in der
Wissenschaft herrscht Konsens, dass wir
Menschen diese aktuelle globale Erwärmung verursachen, wie kaum in anderen
Bereichen der Wissenschaft.
Was wären Ihrer Meinung nach die
nächsten wichtigen Schritte, um das Klima
zu stabilisieren oder das Ruder
noch herumzureißen?
Wir stoßen pro Tag 100 Millionen Tonnen
CO2 in unsere Atmosphäre aus. Jeden Tag
aufs Neue. Wir müssen den Ausstoß von
Treibhausgasen senken und so rasch wie
möglich auf diese Netto-Null bringen, das
ist die erste und dringendste Aufgabe.
Denn wir haben in Österreich jetzt, mit
kurzen Pausen durch die Pandemie, noch
immer steigende Emissionen, auch global.
Wir sind also noch nicht einmal auf dem
richtigen Weg, wo wir vom Reduzieren der
Emissionen sprechen könnten. Ein großes
Thema ist in Österreich die Mobilität, die
ein Drittel der Emissionen verursacht.
Tempo 100 auf der Autobahn könnten wir
morgen umsetzen und es hätte enorme
Auswirkungen. Es würde außerdem den
Autofahrern Geld sparen. Mir fallen ganz
wenige Maßnahmen ein, die sofort umsetzbar sind, die aber so viel bringen. Und wer
wirklich gerne noch schneller fahren will:
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Also ich habe das Klima-Ticket, ich fahre
nach Salzburg mit 240 km/h, die Bahn
kann das!
Sie engagieren sich unter anderem auch
als European Climate Pact Ambassador.
Was kann man sich denn darunter
vorstellen, was sind Ihre Aufgaben?
Ich habe immer versucht, Menschen
zusammenzubringen, die sich Wissen
über den Klimawandel aneignen und
dieses auch weitergeben, das sehe ich
auch als die wichtigste Aufgabe als
Journalist. Ich habe z. B. die internationale
Klima-Kommunikationsplattform „Climate
without Borders“ mitbegründet. Und das
versuchen wir auch europaweit – indem
wir Wissen bündeln, Wissen austauschen
und Best-Practice-Modelle suchen, wie
wir wirksam gegen den Klimawandel
ankämpfen können. Aber auch, wer findet
die besten Varianten, es zu erklären?
Denn eines ist fix: Wir haben die optimale
Weise, die Klimakrise zu erklären, noch
nicht gefunden. Sonst würden wir schon
alle energischer und klarer handeln.
In welchen Ländern findet man gute
Beispiele, von denen wir uns in Österreich
etwas abschauen können?
Es gibt in den USA Bundesstaaten, die aus
den Verbrennungsmotoren aussteigen
wollen, zehn Jahre früher, als es die EU
jetzt geplant hat. Aber gute Beispiele
findet man auch in China, wo der Ausbau
von Sonnenenergiegewinnung derzeit in
einem irren Tempo vonstattengeht. Aber
auch viele österreichische Gemeinden
sind Vorreiter. In Kaindorf in der Steiermark wurde zum Beispiel ein Projekt
zum Aufbau von Humus gestartet, einem
der wesentlichen CO2-Senker. Hier wird
gesunde Erde produziert, die noch
dazu CO2 aufnehmen kann. Wir müssen
ja nicht mehr nur darüber reden, wie wir
weniger ausstoßen, sondern wie wir auch
wieder CO2 aus der Atmosphäre herauskriegen. Auch diese Idee wird bereits in
viele Teile der Erde exportiert. Wir finden
Know-how-Vorreiter an allen Ecken und
Enden.
„Die Zukunft, die wir
klimaschonend erreichen
wollen, ist eine gesündere,
bessere und sozial
gerechtere für alle.“
Wie soll man über das Klima
kommunizieren?
Ich glaube, das ist der schwierigste Punkt,
wo wir weiterhin auf der Suche sind.
Wenn wir diese perfekte Art der Erzählung
über den Klimawandel schon gefunden
hätten, würden viele Dinge auf dieser Erde
gerade ganz anders laufen. Ich denke, wir
müssen den Menschen klarmachen, dass
das, was da draußen passiert, mit unserer
Atmosphäre, mit unserer Erde, in Zukunft
nicht gut für uns Menschen ist. Dass wir das
verursachen, aber dass wir es auch ändern
können. Und wir müssen zeigen, dass die
Zukunft, die wir klimaschonend erreichen
wollen, eine gesündere, bessere, sozial
gerechtere für alle Menschen auf dieser
Erde ist.
Stellen wir uns nur mal vor, wir würden
die Autos aus den Städten verbannen,
zumindest abschnittsweise. Diese Städte
haben eine sauberere Luft, sie sind ruhiger