Ausstellung - Flipbook - Seite 13
Die Pioniere / 5
Anke Weihs, geborene Ann Nederhoed,
(1914 Melbourne, Australien–1987 Camphill)
war Patientin bei Karl König. Sie war professionelle Tänzerin und war in Japan, Hawaii, USA
und Holland aufgewachsen und war die einzige in der Anfangsgruppe, die der englischen
Sprache von Grund auf mächtig war. Anke
lebte längere Zeit in Italien und Ungarn und
machte eine Ausbildung zur professionellen
Tänzerin an verschiedenen Tanz- und Ballettschulen in Berlin und Wien. Unter anderem
tanzte sie in einem Ensemble mit Grete Wiesenthal. Sie kam nicht aus einer jüdischen
Familie, war aber eng mit Peter Roth befreundet,
den sie bei der Ankunft in London 1938 gleich heiratete. Abgesehen davon,
dass sie ihre künstlerische Begabung stets in die Camphill-Arbeit mit einfließen
ließ – nicht nur Tanz, sondern auch Schauspiel –, war sie auch eine begabte
Rednerin, konnte sowohl gut schreiben wie auch übersetzen und konnte die
neu Hinzugekommenen immer für ihre Arbeit und für höhere Ideale begeistern.
Sie war Herausgeberin von «The Cresset», der Zeitschrift der Camphill Bewegung, von 1954 bis zur letzten Ausgabe 1972. Anke gestaltete das Leben in der
Hausgemeinschaft mit großem Können und Hingabe, war eine versierte Pädagogin und setzte sich in besonderer Weise für die Entwicklung der sozialen
Formen ein, sowohl vor Ort als auch im Ganzen der sich ausweitenden Camphill-Bewegung. Sie trug Verantwortung bis in die praktischen Details für die
Entstehung weiterer Lebensgemeinschaften im schottischen Umkreis.
Thomas Weihs (1914 Wien–1983 Camphill) studierte Medizin an der Wiener
Universität. Am 1. Oktober 1938 verließ er mit seiner ersten Frau Henny Österreich. In Basel konnte er sein letztes Studienjahr wiederholen und das MedizinStudium abschließen. Nur eine Woche vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs
konnten sie den Ärmelkanal mit dem letzten zivilen Fährschiff überqueren und
kamen schließlich im September 1939 im Kirkton House an. Thomas war stets
die «rechte Hand» von Karl König und erledigte alles gleichermaßen gerne, ob
praktische Handwerksaufgaben, Gärtnerisches, Haushalt, als Lehrer oder als
Ersatz-Vortragender, wenn König ausfiel. 1945, als das Gut Newton Dee gekauft
werden konnte, übernahm er dort die Betreuung
und Erziehung der Jugendlichen und verwandelte
mit ihnen zusammen – ohne Maschinen oder
Traktor – das 35 Hektar große Grundstück in
eine auf Landwirtschaft basierte Gemeinschaft.
In der Kriegszeit hatten sie immer wieder die Betreuung junger traumatisierter Menschen übernommen, die teilweise erhebliche Verhaltensschwierigkeiten aufwiesen. Nachdem seine erste
Ehe gescheitert war, heiratete er Ann («Ännchen»,
die nun aber «Anke» genannt werden wollte).
Als König 1954 ernsthaft erkrankte, übernahm
Thomas die medizinische Leitung, einschließlich
der «Clinics» (Kinderbesprechungen) und der
Zusammenarbeit mit den Therapeuten. Auch die administrative Arbeit übernahm
er zunehmend und ab 1957 auch die Gesamtleitung der Camphill Rudolf Steiner
Schools. Thomas wurde immer bekannter auch außerhalb Camphills, schrieb
und dozierte über heilpädagogische Themen und gestaltete zunehmend die
Ausbildung in Schottland, aber auch in der weiteren Camphill-Bewegung.
Hans
und E lisabeth S chauder . Hans Schauder war Medizinstudent an
der Wiener Universität und musste ebenfalls, da er Jude war, sein Studium
abbrechen. Im Juli 1938 verließ er Österreich gemeinsam mit Alex Baum, setzte
aber sein Studium in Basel fort. Elisabeth Schwalb (später «Liesl» Schauder) war
bereits in der Schweiz und kontaktierte die Haughton-Familie in Schottland, ob
sie bei ihnen arbeiten könne, was ab September möglich war; so war sie als
erste der Gruppe in Schottland, blieb aber bei den Haughtons und zog 1939
nicht mit ins Kirkton House. Nach dem Abschluss seines Studiums durfte Hans
nicht in der Schweiz bleiben und Liesl reiste zurück, um ihm beim britischen
Konsulat zu einer Einreisegenehmigung zu verhelfen. 1940 reisten sie durch
das bereits vom Krieg zerrüttete Frankreich und heirateten bei ihrer Ankunft in
London. Hans Schauders Eltern wurden in Konzentrationslagern ermordet. Die
erste wirkliche Erweiterung der Arbeit in Camphill war mit einer kleinen Gruppe,
die in Auchindoir Lodge in der Nähe von Kirkton begann. Willi Amann, Hans und
Liesl gestalteten diese Arbeit, bis der Pachtvertrag 1944 auslief. Sie beschlossen
dann, nicht nach Camphill zurückzukehren, sondern begannen mit einer eigenen
Einrichtung in Garvald bei Edinburgh.