Ausstellung - Flipbook - Seite 11
Die Pioniere / 4
Alix Roth (1916 Wien–1987 Village
Aigues Vertes, Genf) war die jüngere
Schwester von Peter. Sie lernte Karl König
als Patientin kennen und wurde dann
Mitglied seiner Jugendgruppe. Alix
machte eine Ausbildung zur Fotografin in
dem damals berühmten Studio von Trude
Fleischmann und war beruflich wie privat sehr mit dem Kulturleben Wiens
verbunden. Im Oktober 1938 verließ sie das annektierte Österreich und wartete
zunächst in einem Hotel in Zagreb in der Hoffnung, es würde sich ein weiterer
Fluchtweg auftun. In ihrem Tagebuch schrieb sie: Vor 14 Tagen bin ich mühsam
über die Grenze gekommen, kaputt, erschöpft, ausgeleert und verwirrt. Aber
ich habe mich schnell erholt. Es war wie ein Herauskommen aus einem langen
Tunnel und ich komme mir vor, als würde ich leben. Es geht langsam, aber es
geht. Ich denke ununterbrochen an so Vieles, was Dr. König gesagt hat und
das sind lauter Wegweiser… Aber es ist ein weiter Weg dorthin. Aber keinen
Augenblick verliere ich die Zuversicht, dieses Ziel zu erreichen. Nach drei
Monaten in Zagreb kam sie im Januar 1939 in London an und war eine der
ersten Bewohnerinnen in Kirkton House. Zusammen mit Tilla König, setzte
sich Alix sehr stark für die pflegerische Arbeit ein und bahnte den Weg für die
Ausbildungskurse in Krankenpflege, die auch Karl König sehr am Herzen
lagen. In der späteren Differenzierung der Camphill-Bewegung war Alix sehr
aktiv, in den letzten Jahren begleitete sie Karl König meist auf seinen Vortragsreisen und zog 1964 mit ihm nach Brachenreuthe an den Bodensee, von wo
aus die mitteleuropäische Camphill-Region aufgebaut wurde. Nach dem Tod
Königs, 1966, verbrachte sie die letzte Phase ihres Lebens in der Dorfgemeinschaft Aigues Vertes bei Genf, blieb aber stets mit dem Impuls der regionalen
und weltweiten Gestaltung Camphills aktiv verbunden.
Peter Roth (1914 Wien–1997 Camphill St. Albans) studierte Medizin in Wien.
Schon im Juni 1938 konnte er aus Wien fliehen, zusammen mit Ann Nederhoed,
später Anke Weihs, die anders als er nicht jüdischer Herkunft war und die er
bald darauf, im August 1938, in London heiratete. Sie verdienten ihren Unterhalt
durch das Übersetzen medizinischer Bücher und durch Taxifahren.
Gemeinsam mit seinem Vater, Emil Roth, und Karl König war er Teil der ersten
Gruppe, die am 2.1.1939 nach Schottland fuhr, um das von der Haughton-Familie
angebotene Kirkton House zu begutachten. Peter war in der ersten Zeit ein
talentierter Lehrer für die Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Lebensaltern. Auch im Malen und Schreiben war er begabt und im Laufe seines Lebens
entstand eine beträchtliche Sammlung an Aufsätzen zu einer Vielfalt von Themen,
für die er sich interessierte. Noch während des Zweiten Weltkriegs, bald nach
seiner Internierung auf der Insel Man, studierte Peter und wurde zum Priester
in der Christengemeinschaft geweiht. Er plante bereits 1945 – in Newton Dee –
eine «pastoral-medizinische» Siedlung zu gründen, wo Erwachsene mit unterschiedlichen Behinderungen und Begabungen die Möglichkeit erhalten sollten,
in einer Kultur-schaffenden Gemeinschaft gemeinsam zu leben, zu lernen
und zu arbeiten. Diesen Impuls verwirklichte er einige Jahre später mit seiner
zweiten Frau Kate in der ersten Camphill Dorfgemeinschaft Botton Village in
England. Ein sehr starkes Interesse für das Schicksal und eine Gabe des
«heilenden Zuhörens» verband ihn mit unzähligen Menschen.