Ausstellung - Flipbook - Seite 6
Die Pioniere / 2
Alex Baum (1910 Wien–1975 München)
musste nach dem «Anschluss» wegen
seiner jüdischen Herkunft sein Studium
der Chemie an der Universität in Wien
abbrechen. Auf den Vorwand hin, Italienisch studieren zu wollen, erhielt er noch
ein Visum für Italien und konnte im Juli
1938 Österreich über die Schweiz verlassen. Im August bekam er sogar ein
Visum für England, benutzte es aber
nicht, weil es zu der Zeit so aussah, als
ob die gemeinsame Arbeit in Frankreich
beginnen könnte – König hatte allen
geschrieben, dass sie bitte Französisch
lernen sollten. So reiste Alex im August
1938 ohne Genehmigung nach Paris.
Als aber bald deutlich wurde, dass sich
die Arbeit dort nicht in der erhofften
Weise entwickeln würde, war seine
Einreisegenehmigung für England bereits abgelaufen. Daraufhin täuschte er
eine Tuberkulose vor und versteckte sich für fast ein ganzes Jahr in einem
Pariser Krankenhaus, wo ein Freund von ihm arbeitete. Schließlich, im August
1939, erhielt er ein Besuchsvisum für England. Es gelang ihm, eine Woche vor
Englands Kriegseintritt einzureisen und zu den anderen im schottischen Kirkton
House zu stoßen. Im November 1941 wurden seine Eltern im Minsker Ghetto
ermordet.
Seine Frau T hesi, geborene Therese von Gierke (1913 Karlsruhe–1990 Camphill School, Ringwood) war nicht Mitglied der Wiener Jugendgruppe gewesen.
Wegen der Verfolgung aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, floh sie bereits
1937 aus Deutschland nach England und wurde 1941 als erste neue Person
von der Ursprungsgruppe in Camphill aufgenommen. Nach Kriegsende halfen
Alex und Thesi dabei, die Arbeit der Camphill-Schulen in Südengland aufzubauen. Thesi erlernte das Weben, um es den Jugendlichen beibringen zu
können. Beide unterstützten in großem Maße die künstlerische Arbeit – Theater,
Musik, Malen und Eurythmie. Durch Alex konnte die Camphill-Eurythmieschule in Ringwood etabliert werden. Er starb während einer längeren Vortragsreise, an deren Ende er Kurse in der Eurythmieschule in München hätte
halten sollen.
Marie Blitz, später Korach, (1915 Wien–2002 Camphill
Aberdeen) lernte Karl König als Patientin kennen. Sie hatte
bereits vier Jahre des Medizinstudiums absolviert, als ihr die
Fortsetzung des Studiums aufgrund ihrer jüdischen Herkunft
verweigert wurde. Sie flüchtete nach England und arbeitete
zunächst als Hilfskrankenschwester in London. Zu Pfingsten
1939 war sie für die Eröffnung von Kirkton House zu den
anderen gestoßen. Marie trug den heilpädagogischen Impuls
in der Aufbauphase Camphills in ernsthafter Weise mit, versuchte dann ab 1951 eine ähnliche Arbeit in den USA aufzubauen, was aber nicht dauerhaft gelang. Danach widmete
sie sich der Erziehung, zuerst als Lehrerin in der noch jungen
Camphill-Schule in Ringwood, anschließend einige Jahre in
Waldorfschulen in Deutschland, wo sie auch die staatliche
Anerkennung erwarb, um dann in den neu gegründeten
Camphill-Schulen in Föhrenbühl und in der Karl König-Schule
in Nürnberg zu unterrichten, bevor sie nach Aberdeen zurückkehrte. Dort war sie bis ins hohe Alter ein sehr aktives Mitglied
der Schulgemeinschaften und besuchte häufig andere britische
Camphill-Orte, um die pädagogische und sprachtherapeutische
Arbeit und das Kulturleben zu unterstützen.