WBV-Zeitung BerlinerFormat-Einzelseiten - Flipbook - Seite 6
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HAVEN IM BLICK
WIRTSCHAFT
Welche Chance haben Kleinunternehmen in Wilhelmshaven?
Interview mit Alexandra Erbe Schwarzkopf geführt von Caroline Wölfinger.
Angestelltenverhältnis in die
Selbstständigkeit zu wechseln?
Ich habe viele Jahre als Salonleiterin gearbeitet. Als mein Sohn
erwachsen war, hielt ich diesen
Zeitpunkt als letzte Chance, den
seit Jahren mehrfach überdachten Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Ich hatte damals die
Möglichkeit, ein bereits etabliertes Geschäft zu übernehmen und
wagte diesen Schritt, um mir eine
langfristig sichere Existenz aufzubauen.
Die letzten 14 Monate haben Unternehmer finanziell sehr an ihre
Grenzen gebracht, vor allem die
Klein- und Mittelständler. Um
einen Einblick in deren gegenwärtige Situation zu erhalten, habe ich
Kontakt zu einer Unternehmerin
aufgenommen und möchte ihr die
Gelegenheit geben, aus ihren Erfahrungen zu berichten.
Hallo Frau Erbe-Schwarzkopf. Ich freue mich, dass Sie
sich die Zeit für ein Gespräch
nehmen. Bitte stellen Sie sich
kurz vor:
Mein Name ist Alexandra ErbeSchwarzkopf, ich bin 48Jahre alt
und geboren in Wilhelmshaven.
Ich bin selbständige Unternehmerin und führe das Haarstudio Nord
in F´Groden mit zwei angestellten
Friseurinnen und einer Auszubildenden seit vier Jahren.
Was war Ihre Intention vom
Der Sprung in die Selbständigkeit ist oft mit hohen Hürden verbunden. Vor welchen
Herausforderungen – vor
Gründung Ihres Unternehmens – wurden Sie gestellt?
Ich fürchte, dazu reicht der Platz
und die Zeit nicht, um hier diese
Odyssee im Einzelnen ausführlich
wiedergeben zu können.
Von der Hausbank erhielt ich keine Hilfe, für die bereits vorhandene Außenwerbungen entstanden
unnötige Kosten für angeblich
notwendige Bauanträge, zudem
die notwendige Vorlage eines teuren Businessplans bei der Hausbank, der dann doch nicht zum
Ziel führte. Ich bestritt dann die
Kaufsumme des Salons aus privaten Mitteln.
Das stemmt man sicher nicht
allein. Wer hat Sie dabei unterstützt und von wem und
woher hätten Sie sich mehr
Hilfe gewünscht?
Viel später erst erfuhr ich, dass die
Stadt Wilhelmshaven einen Förderfond (Wirtschaftsförderung)
hat. Zum Zeitpunkt, als ich davon
Kenntnis erhielt, war es dann zu
spät, da die Anträge vor dem Geschäftsstart hätten beantragt werden müssen. Diese aus unserer
Sicht wichtige Informationen erhielten wir erst viel zu spät. Hier
fehlen offizielle Informationen für
Menschen, die in Selbstständigkeit gehen wollen, z.B. durch einen
„roten Leitfaden“.
In Ihrem Unternehmen beschäftigen Sie zwei Mitarbeiterinnen und seit kurzem
eine
Auszubildende.
Seit
über einem Jahr gibt es in
Deutschland die „Covid Ausnahmesituation“. Zwischenzeitlich mussten Sie ihr Geschäft zweimal für längere
Zeiträume schließen. Was für
Auswirkungen hatte dies auf
Sie und Ihre Mitarbeiterinnen?
Während der beiden Lockdowns
haben sich hohe Schulden angesammelt. Im ersten Lockdown
konnte ich nachts wegen Existenzängsten nicht mehr schlafen. Auch
heute noch warte ich auf die politisch versprochen Hilfen, stattdessen werden immer mehr Auflagen
auferlegt, die uns fast bewegungslos werden lassen. Zudem ist dies
auch mit hohen finanziellen Zusatzkosten verbunden ist. Man
fühlt sich sowohl kommunal als
auch von Seiten des Landes und
der Bundesregierung im Stich gelassen. Das schürt auch Wut und
Bedeutung von Wirtschaft & Arbeit
Herr Dr. Petzold, warum engagieren Sie sich bei WIN@
WBV besonders für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit?
Ich bin „Wahl-Wilhelmshavener“
seit nunmehr 18 Jahren und habe
es keinen Tag bereut, in die grüne
Stadt am Jadebusen gezogen zu
sein. Wilhelmshaven ist für mich
auch als Wirtschaftsstandort einzigartig. Diese Einzigartigkeit gilt
es aktiv und konsequent zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger
unserer Stadt zu nutzen. Ich bin
sicher, dass eine erfolgsorientierte und nachhaltige Entwicklung
der Wirtschaft in Wilhelmshaven und umzu zu einer Schaffung
dauerhafter und anspruchsvoller
Arbeitsplätze und somit zur Steigerung des Wohlstands der Stadt
sowie seiner Bürgerinnen und
Bürger. Auch die Lebensqualität
in Wilhelmshaven wird durch eine
florierende Wirtschaft, ich nenne
das jetzt mal so, deutlich positiv
beeinflusst.
Wofür steht für Sie persönlich WIN@WBV?
WIN@WBV steht für mich, aus
der Perspektive des Sprechers
des Arbeitskreises Wirtschaft &
Arbeit, für die Profilierung Wilhelmshavens als moderner Dienstleistungs-, Gewerbe- und Hafenstandort. Wir verstehen auch den
Tourismus als einen bedeutenden
Wirtschaftsfaktor und betreiben
eine aktive Weiterentwicklung
unserer Stadt als innovative und
nachhaltige Energiedrehscheibe.
WIN@WBV steht auch für die
Schaffung einer aktiven und erfolgsorientierten
Organisation
zur Wirtschaftsentwicklung/-förderung. Für uns haben die Neuansiedlung von Unternehmen
dieselbe Priorität wie die „Pflege“
der Bestandsunternehmen. Wir
suchen aktiv die Zusammenarbeit
mit den Nachbarkommunen zum
Wohle alle Beteiligten.
WIN@WBV steht zudem für eine
aktive und nachhaltige Innovationsentwicklung und -förderung,
den Ausbau der Netzwerke und
Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie zwischen Schulen, Hochschule und
Wirtschaft.Und nicht zuletzt steht
WIN@WBV für eine Steigerung
der Lebensqualität unserer Stadt.
An der Jade Hochschule sind
Sie sehr aktiv im Bereich der
Unternehmensgründung und
der Start-ups tätig. Wie sehen
Sie in diesem Zusammenhang
die Rolle von WIN@WBV?
Für WIN@WBV und für mich
persönlich sind Unternehmensneugründungen ein bedeutender
Wirtschaftsfaktor und „Arbeitsplatzgenerator“.
Viele
dieser
Gründungsideen entstehen bereits
in der Phase des Studiums an der
Zweifel daran, dass man als kleiner Betrieb überhaupt auf kommunaler, Landesebene und Bundesebene überhaupt irgendeinen
Stand hat. Dabei sind es gerade
die kleinen Betriebe, die tatsächlich eine hohe Abgabenlast tragen,
die zur Aufrechterhaltung des sozialen Systems in Deutschland beitragen.
Ich habe jedenfalls sehr stark das
Vertrauen in die Aussagen des
Bundeswirtschaftsministers und
auch des Finanzministers verloren, denn man hörte fast täglich
nur Absichtserklärungen (unbürokratische und schnelle Hilfe) und
tatsächlich aber verzweifelte unser
Steuerberater an den sich täglich
ändernden FAQs zur Beantragung
der Hilfen, sodass wir bis Mai immer noch keine Hilfe erhalten haben.
Vor diesen Herausforderungen stehen derzeit viele
kleine Dienstleistungsunternehmen, deshalb bietet es
sich an, geeignete Konzepte
von staatlicher Seite vorzubereiten. Gab es diese Unterstützung und wenn ja, welche
wurde Ihnen von der Stadt
Wilhelmshaven
(Gesundheitsamt und Ordnungsamt)
angeboten?
Zunächst keine. Auf die erste Anfrage nach dem ersten Lockdown
zu welchen Voraussetzungen ordnungsgemäß das erste Konzept
umgesetzt werden könne, wurde
man auf die öffentliche Presse und
die BGW (Berufsgenossenschaft
Uniper
&
Abschließend noch eine Frage zur politischen Situation
in Wilhelmshaven. Wie fühlen sie sich in der Kommune
aufgehoben und wahrgenommen?
Ich bin sehr überrascht, dass mich
eine politische Gruppierung überhaupt nach so langer und schweren Zeit fragt, wie es mir und meinem Betrieb geht.
Bisher hat niemand mir und vielen
anderen mir bekannten Selbstständigen kleinerer Betriebe sich
um die fatale Situation hier kommunal interessiert.
Ich bin dafür, dass nun endlich
ein Austausch im Rat der Stadt
stattfindet, da offenbar etliche das
eigentliche Auge und Ohr zu uns
verloren zu haben scheinen. In unserer Branche nennt man so einen
Zustand: Betriebsblindheit.
Lesen Sie das ganze Interview auf
https://whv.win ●
Jade Hochschule
Jade Hochschule oder sogar schon
früher in den Schulen. Diese Ideen
sind sehr vielfältig und breitgefächert. Start-ups werden von uns
an der Jade Hochschule aber auch
von WIN@WBV daher bereits ab
der frühen Phase der Ideenfindung
aktive begleitet und gefördert.
Wie stehen Sie zu dem Thema
Work-Life-Balance?
Arbeit hat in unserer Gesellschaft
immer noch eine wichtige Bedeutung im menschlichen Leben, auch
wenn sich dies in den Generationen Y und Z gegenüber der Generation X und der Babyboomer zum
Teil deutlich verändert hat. Die
Arbeitswelt befindet sich in einem
andauernden Veränderungsprozess, der mit Begriffen wie „Flexibilisierung“, „Entgrenzung der
Arbeit“ und „Work-Life-Balance“
beschrieben werden kann. Megatrends wie demografischer Wandel, Digitalisierung, zunehmender
globaler Wettbewerb, Individualisierung sowie neue Kommunikations- und Produktionsprozesse
sind nicht nur eine Herausforderung und zugleich Chance für die
Gesellschaft insgesamt, sondern
wirken sich auch unmittelbar auf
die Arbeitswelt in unserer Stadt
aus. Vor diesem Hintergrund steht
WIN@WBV für die Schaffung und
Erhaltung zahlreicher qualifizierter und dauerhafter Arbeitsplätze
in Wilhelmshaven. Hier gilt es mit
höchster Priorität in unserer Stadt
die Grundlagen zu schaffen, um zu
den Gewinner der derzeitigen Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt zu gehören. ●
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) vertröstet.
Nur mit eigener Recherche gelang
es uns, dann das erste Grundkonzept zu erstellen.
Ich denke, dies war der plötzlichen und unbekannten Situation
auch für die Verwaltung geschuldet. Denn, bei der Erweiterung der
Änderungen zum Konzept nach
dem zweiten Lockdown, wurden
wir von der Verwaltung dann sehr
gut betreut. Fragen wurden dann
schnell und ausführlich beantwortet. Dafür haben wir uns über den
OB Wilhelmshaven bei der Mitarbeiterin ausdrücklich bedankt.
Im Rahmen einer Videokonferenz traf sich eine Delegation der
WIN@WBV mit Vertretern von
Uniper und der Jade-Hochschule
zum Thema „GreenWHV und weitere Projekte“. Rene Schoof (Vice
President Asset Development,
Operation & Logistics Hydrogen),
Torsten Hooke (Leiter Bereich
Q&P) sowie Harald Seegatz (Vorsitzender des Konzernbetriebsrates Uniper und Stellvertretender
Vorsitzender des Aufsichtsrates)
stellten neben den WasserstoffGroßvorhaben zahlreiche weitere
Projektideen im Zusammenhang
mit der Abschaltung des UniperKohlekraftwerks zum Ende diesen
Jahres vor. So wird beispielsweise im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Klärschlammverwertung zur Herstellung von
Biomethan mit anschließender
Verwendung für die regionale Busflotte geprüft. Weiterhin anfallende Nährstoffe und Energie können
unter anderem zur nachhaltigen
Fischzucht an Land genutzt werden. Auch im Bereich der Aus- und
Fortbildung möchte Uniper sich
-trotz Abschaltung des Kraftwer-
kes- weiterhin engagieren. Die Beteiligten diskutierten über Ideen
der weiteren Zusammenarbeit mit
der örtlichen Jade-Hochschule
und weiteren Bildungsträgern.
Auch von Seiten der Jade Hochschule, im Gespräch vertreten
durch Prof.Dr. Holger Saß (Vizepräsidenten für Forschung und
Technologietransfer) und Prof.
Dr. Karsten Oehlert (Prodekan für
Forschung und Professor für Fluidenergiemaschinen) wurden im
Rahmen der vorgestellten Projekte zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten identifiziert.
Stellvertretend für den Arbeitskreis Wirtschaft und Arbeitsplätze
der WIN@WBV stellte Olaf Fischer fest, dass Uniper sich sehr
entschlossen mit einem Wasserstoff-Großprojekt in Wilhelmshaven engagieren will. Im Rahmen
von GreenWHV will das Unternehmen bis 2030 immerhin 10%
des geschätzten Wasserstoff-Bedarfs in Deutschland durch Import und Elektrolyse vor Ort bereitstellen. Wenn dazu noch die
Eisenerz-Direktreduktion
auf
Wasserstoff-Basis und weitere
Projekte hinzukommen, wird sich
Wilhelmshaven zu einem herausragenden Standort im Rahmen
der Energiewende entwickeln,
wo Energie und Produktion zusammenkommen. Auch das große wechselseitige Interesse an
einer Zusammenarbeit zwischen
Uniper und Jade Hochschule auf
dem Feld der Energietechnik sind
ein wichtiger Baustein auf dem
Weg zur Energiedrehscheibe Wilhelmshaven. ●