NL Magazin 0125-paperturn - Flipbook - Seite 25
KOLUMNE GOTT VERTRAUEN
WER’S GLAUBT, WIRD SELIG
Heute fliegt von
hier niemand mehr
Gerade noch tief erfreut und glücklich erfüllt, konfrontiert das Leben sie plötzlich mit der
anderen Seite der Medaille. Evi Rodemann kann nicht, wie sie möchte, und sie möchte
doch nur nach Hause. Aber was hilft es schon? Nach dem ersten Frust macht sie sich auf
die Suche nach dem Guten im Schlechten und schaut, ob sie Gott auf frischer Tat ertappt.
22. Dezember 2024. Ich sitze am Airport von Belfast bei Starbucks mit
einem Earl Grey Tee und hänge noch
dem Weihnachtskonzert und den lieben Menschen nach, die ich drei Tage
in der weihnachtlichen Stimmung
Belfasts genießen durfte. Mit einem
Mal sehe ich aus dem Fenster etliche Krankenwagen und Feuerwehren
auf die Landebahn pesen und denke,
dass etwas Schlimmes passiert sein
muss. Ein Flugzeug war gelandet,
aber aufgrund des starken Sturmes
mit der Nase zuerst.
Mit der Nase zuerst
Auf der Anzeigetafel sehe ich die
ersten Streichungen. Mein Flug nach
Hause steht noch, wenn auch mit
etlicher Verspätung. Ich rede mit dem
Bodenpersonal, das uns allen gut
zuredet und meint, dass wir etwas
Geduld und Gelassenheit haben
müssen. Ich checke mal online, ob ich
dort schon etwas über den Vorfall finden kann. Und tatsächlich, ein Flugzeug, nur mit Personal an Bord, ist bei
der Landung verunglückt, die wenigen Menschen an Bord sind nur leicht
verletzt. Dafür danke ich Gott erstmal
ganz fest. Aber da steht auch online,
dass dieser Flughafen nur eine Startund Landebahn hat und dass eben
diese jetzt komplett gesperrt ist. Klar,
das kann ich auch durch das Fenster
sehen, und so langsam denke ich: Von
hier fliegt heute niemand mehr.
Nach mehr als drei Stunden Warten
die Gewissheit: Das Flughafenpersonal und die Anzeigetafeln informieren
uns, dass alle Flüge gestrichen sind.
Ein kollektiver und genervter Aufschrei ertönt im Terminal und alle
greifen nach ihren Mobiltelefonen. Es
ist ja kurz vor Weihnachten und jeder
möchte zu seinen Lieben nach Hause.
„Ich könnte jetzt
fatalistisch aufgeben,
oder aber ich frag mal,
ob’s nicht auch ’ne
frühere Option gibt.“
Ich könnte aufgeben
In all dem frage ich mich: Und nun?
Klar, die Fakten muss ich jetzt akzeptieren und eine andere Beförderungsmöglichkeit nach Hause fällt mir auch
nicht ein. Also heißt es Warten und
mit der Fluglinie Kontakt aufnehmen. Mal sehen, was die so sagen.
Zwischenzeitlich hatte ich mir ein
Hotel in der Nähe gesucht, checkte
jetzt dort ein und ließ dem Gedankenkarussell freien Lauf. Weihnachten allein in Belfast? Auf keinen Fall,
kommt nicht in Frage! Was, wenn ich
aber doch hier hängenbliebe? Ich
versuchte, meine Gedanken zu kontrollieren, die Ruhe zu bewahren und
strategisch zu denken.
In solchen Situationen kommt mein
Glaube ins Spiel und im Herzen beege ich die Fragen mit Gott. „Wovor
wurde ich jetzt vielleicht bewahrt?
Was möchte Gott mir zeigen? Ist das
vielleicht auch Weihnachten, fern von
allen Lieben, gefühlt allein in einer
Stadt, sozusagen asylsuchend in einem
Hotel?“ Bei Fish und Chips warte ich
auf Hilfe der Airline und bekomme das
Angebot für einen Heimflug in zwei
Tagen. Leider erst in zwei Tagen! Damit
sind alle meine Last-Minute Weihnachtsvorbereitungen und Einkäufe
geplatzt. Ich versuche, tief einzuatmen
und eine Entscheidung zu treffen. Der
Flug, der mir angeboten wird, lässt
mich am 24. Dezember erst um 18 Uhr
landen. Viel zu spät! Ich könnte jetzt
fatalistisch aufgeben, oder aber ich
frag mal, ob’s nicht auch ’ne frühere
Option gibt. Immer schön lächeln und
gelassen bleiben.
Gelassen. Das heißt für mich auch,
etwas zu lassen. Negative Gedanken
zum Beispiel, sie einzudämmen, mich
nicht von ihnen kontrollieren zu lassen und mich dabei darauf festzulegen, die Situation an Gott zu übergeben. Das tue ich, bevor ich weiß, was
daraus wird. Am Ende sitze ich dann
tatsächlich schon am Heiligabend um
17 Uhr mit meiner Familie am Kaffeetisch, neben uns der leuchtende Tannenbaum, und ich danke Gott für
sein Weihnachtswunder.
Evi Rodemann, Jahrgang 1971,
lebt im Großraum Hamburg
und arbeitet als Theologin und
Eventmanagerin. Sie engagiert
sich in der internationalen Arbeit
der Lausanner Bewegung und der
Weltweiten Evangelischen Allianz
sowie in ihrem Verein „LeadNow“
mit Schwerpunkt auf junge
Leitende. evirodemann.com
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