NL Magazin 0125-paperturn - Flipbook - Seite 10
LEITARTIKEL
in Ihnen brodelt, und atmen Sie tief durch. Das hilft wirklich!
Und dafür ist immer Zeit. Auch während eines Streits. Oder in
einer Besprechung, beim Zeitunglesen oder dem Nachrichtenschauen. Wir müssen es wirklich nur wollen. Und dann auch
tun. Ich weiß, das ist nicht einfach, wollen Sie es dennoch?
Erst mal Umdenken
Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass es Menschen gibt, die
jetzt an dieser Stelle meiner Meinung nach ausweichen und
sagen werden: „Ich kann das nicht tun! Ich kann nicht über
meinen Schatten springen, ich bin, wie ich bin, ich will ja, aber
ich kann das nicht tun!“ In der Tat glaube ich, dass das eine
Ablehnung der Verantwortung für das eigenen Handeln ist,
und missbraucht werden, wenn wir Zeuge von Rassismus
eine – wenn menschlich auch verständliche – Aus昀氀ucht aus
oder Geschlechterfeindlichkeit werden, oder wenn Wehr-
Angst vor dem Aufwand und Schmerz. Und es wird Schmer-
lose unterdrückt und gedemütigt werden. Dann müssen wir
zen geben, das ist keine Frage. Ich erinnere mich an eine Zeit,
die Stimme erheben! Dann müssen wir aufstehen! Dann
in der ich für die Programmleitung und Durchführung eines
müssen wir Widerstand leisten. Individuell und kollektiv.
Kongresses verantwortlich war. Um mich herum hatte ich
Mit guten Argumenten, mit dem gleichen Respekt vor den
ein Team von motivierten und begeisterten Unterstützern
Unterdrückern, wie wir ihn für die Unterdrückten fordern,
und wir trafen uns regelmäßig zu Besprechungen. Ich war
mit aller Deutlichkeit und in Liebe. Ja, es gibt diese Situa-
superangespannt und das Team supergenervt. Bei einer dieser
tionen, und doch spreche ich hier in erster Linie von einem
Sitzungen, ich sehe es noch heute vor mir, sagte eine meiner
gelassenen Leben. Davon, sich nicht gleich über alles und
Kolleginnen: „Du redest die ganze Zeit von Team. Du brauchst
jedes aufzuregen, sich zurückzunehmen, sich zu besin-
doch gar kein Team. Du machst doch alles allein“. Das tat weh
nen und zu begreifen: Die eigene Meinung und Ansicht ist
und saß. Besonders, weil sie Recht hatte. Ich hatte mich längst
zunächst nichts weiter als genau das. Eigen. Und Meinung.
in meinem sogenannten Verantwortungsgefühl verstiegen,
Wir dürfen nicht ständig annehmen, dass das, was wir wollen,
hatte alle anderen draußen gelassen, war unausgeglichen und
ungenießbar. Ich wollte alles kontrollie-
auch das ist, was alle anderen wollen.
Oder zu wollen haben.
Alles andere als einfach
Gelassenheit hat tatsächlich eine ganze
Reihe von Vorteilen. Sie wirkt sich als
positive Grundspannung auf den Menschen aus und steigert die Kreativität
und Leistungsfähigkeit. Die Entscheidungen, die gelassen getro昀昀en werden,
sind deutlich besser als die, die in Hek-
„Im gelassenen Zustand
dagegen sieht der Mensch,
welche Möglichkeiten
er hat. Er kann sich unter
ihnen die beste aussuchen
und souverän handeln.
In Ruhe.“
tik und Anspannung getro昀昀en werden.
ren – und dachte dabei auch noch, ich
mache es richtig! Ich war wirklich sicher,
dass ich es gut mache und wäre – ohne
meine mutige Kollegin – wohl noch lange
nicht auf die Idee gekommen, umdenken
zu müssen. Und ich musste es wirklich.
Ganz ehrlich: Ich konnte es plötzlich, weil
ich eine Einsicht hatte und es jetzt wollte.
Umdenken ist nicht einfach. Aber so
unglaublich wichtig. Und bisweilen auch
Denn in angespannten Situationen denkt und fühlt der
sehr entspannend! Überlegen Sie doch mal: Was ist es, dass Sie
Mensch, als hätte er Scheuklappen auf. Es scheint meist nur
aus der Fassung bringt? Was, das droht, Sie die Selbstbeherr-
noch eine sehr emotionale Reaktion möglich. Und Emotionen
schung verlieren zu lassen? Was triggert Sie, was ist Ihr per-
sind zumindest in solchen Momenten superschlechte Ratge-
sönlicher „ich will das kontrollieren Punkt“? Was wäre, wenn
ber. Im gelassenen Zustand dagegen sieht der Mensch, welche
Sie Ihrem ersten inneren Impuls nicht sofort folgen und einen
Möglichkeiten er hat. Er kann sich unter ihnen die beste aus-
Moment warten mit Ihrer Reaktion? Wenn Sie sich etwas Ruhe
suchen und souverän handeln. In Ruhe. Außerdem verbraucht
gönnen und stillhalten? Unter Umständen kommen Sie auch
er viel weniger Energie als bei einer emotionalen Reaktion und
nach diesem Überlegen zu dem Schluss, dass es richtig ist, res-
ist unter dem Strich zufriedener. Soweit klingt das doch in der
pektvoll und deutlich aufzustehen. Mit der richtigen inneren
Theorie alles ganz gut.
Haltung. Vielleicht aber entdecken Sie, dass die Wut schon allein
durchs Nachdenken verraucht und Sie begreifen, dass Sie sich
Der Weg zur Gelassenheit ist allerdings alles andere als ein-
nicht über alles aufregen müssen. Probieren Sie es doch mal.
fach. Sich selbst zu verordnen, jetzt doch mal gelassen zu
sein, funktioniert in der Regel ja nicht. Man muss schon an
den Grundlagen arbeiten, muss typische Verhaltensmuster
und Denkfallen entdecken und ganz bewusst dagegen steuern, umdenken und neue Wege gehen – und das immer wieder.
Denn es dauert, bis alte Gewohnheiten abgelegt und durch
neue ersetzt werden. Treten Sie einen Schritt zurück, wenn es
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NEUES LEBEN 1 – 2025
Detlef Eigenbrodt, M. A., Leiter einer eigenen Agentur für
Kommunikationsberatung und Redaktionsleiter dieses Magazins,
träumt von einer eigenen Wohnung in Südafrika und freut sich
bis zur Erfüllung an den herrlichen Plätzen in Deutschland. Der
Ehemann, Vater von vier erwachsenen Kindern und Opa eines
ersten Enkels sitzt super gern in der Sonne seines Gartens am
Rande des Odenwalds und stellt sich der Herausforderung
des Alltags. myjabulani.com