NL Magazin 0125-paperturn - Flipbook - Seite 17
„Ich dachte: Von kundenorientiertem Arbeiten und Freundlichkeit
hat die Frau keine Ahnung. Bei allem Stress – so geht man doch
nicht mit Kunden um! Kein Wunder, dass sie dicht machen muss!“
Produkte unbedingt haben, anderer-
Durch das Zitat von Martin Gutl
fühle, dann bringt es nichts. Bei mir
seits merkte ich, dass ich überhaupt
war mir plötzlich klar: Wenn ich nicht
ist es so, dass ich manchmal innerlich
keine Lust mehr hatte, sie bei ihr zu
zurückgehe, dann ist das wie „Feigheit
noch mit mir kämpfe, ob ich die Hand
kaufen. Ich wollte nur noch raus aus
vor dem Feind“! Ich hatte mir doch
reichen will oder nicht. Dann hilft mir
dem Laden. Also nahm ich meine Liste
nichts vorzuwerfen! Die Che昀椀n ist aus-
ein kurzes Gebet und der Gedanke, dass
und sagte: „Ich komme wieder.“ Als ich
fallend geworden. Nicht ich. Ich hatte
ich doch auch immer wieder auf Barmherzigkeit angewiesen bin. „Wie Gott
es ausgesprochen hatte, merkte ich,
den Eindruck, dass Gott mich durch
dass ich mir gar nicht so sicher war,
seinen Heiligen Geist da förmlich
mir – so ich dir !“ Das will ich mir vor
dass ich diesen Laden nochmal betre-
zurückschickte. Warum auch immer.
Augen halten.
ten würde. Deshalb schob ich noch
Ich habe einen Moment abgepasst,
ein „Vielleicht!“ hinterher.
wo kein anderer Kunde im Laden war.
Nach unserem Gespräch hatte ich
Ich kam rein und sie sagte in herab-
dann tatsächlich meine Einkau昀氀iste
Autsch. Du bist dann raus aus
dem Laden und hast vermutlich
gekocht vor Wut?
lassendem Tonfall: „Ach, da sind
dort gelassen, und die Dame hatte ver-
Draußen habe ich erstmal Luft
Schön war das nicht. Ich war inner-
meine Bestellung abzuholen, hing da
geschnappt und bin so weit gelaufen,
lich noch sehr aufgewühlt. Ich fragte
ein großes Schild im Laden, darauf ein
dass man mich vom Laden aus nicht
sie, was das denn eben gewesen wäre
großes rotes Herz und daneben das
mehr sehen konnte. Ich hatte einen
und sagte, dass ich nicht verstanden
Wort Danke! Das war die erste Über-
dicken Kloß im Hals und war kurz
habe, warum sie mich so hart ange-
raschung. Die zweite war, dass ich mit
davor loszuheulen. Dann habe ich mei-
gri昀昀en hat. Daraus entwickelte sich
einem Lächeln von der Che昀椀n begrüßt
nen Mann angerufen und ihm von der
ein Gespräch, anfänglich noch beider-
wurde. Ich sagte ihr, dass ich viel aus
ungeheuerlichen Situation erzählt. Das
seits mit einem wütenden Unterton.
unserem letzten Zusammentre昀昀en
tat schon mal gut und ich konnte wie-
Sie erzählte von ihrem ganzen Frust
gelernt habe und sie erwiderte: „Ich
der klarer denken. Die Wut verrauchte.
und dass sie eigentlich ins Bett gehören
auch!“ Sie hatte auf meiner Visiten-
Ich überlegte, was ich jetzt machen
würde, weil sie krank war. Dann fragte
karte, die ich ihr mit der Bestellung
sollte. Meinen weiteren Einkauf erle-
sie unvermittelt: „Sind wir jetzt wieder
dagelassen hatte, gelesen, dass ich
digen oder zurückgehen? „Zurückge-
Freunde?“ Ich konnte nicht anders
„Die Dankbarkeitsbotschafterin“ bin,
hen“ – Dieser Gedanke, dieses Wort
als „Ja!“ antworten.
Sie ja wieder!“
erinnerte mich an einen Text von dem
Priester und Autor Martin Gutl, den
sprochen, alles zusammenzupacken.
Als ich dann später wieder kam, um
und so sprachen wir über die Dankbarkeit, und wie eine dankbare Haltung
das Leben verändert. Dieses Mal ver-
noch miteinander reden. Zurückgehen,
Du hast beim Zuhören
Verständnis für sie bekommen,
sie denn auch für dich?
das Gespräch von neuem beginnen.
Ja, irgendwie schon. Aber darauf
Dank für diese Begegnung und das,
Morgen könnte einer von beiden tot,
kam es mir in dem Moment tatsächlich
was ich daraus gelernt habe.
stumm, blind oder gelähmt sein. Heute
gar nicht mehr an. Ich hatte den Ein-
noch zurückgehen, noch einmal hören,
druck, dass war in dem Moment mein
sich überwinden, verzeihen, das Urteil
„himmlischer Auftrag“. Ich habe ihr
über einen Menschen aufheben. Heute
gerne zugehört.
ich kurz vorher gelesen hatte: „Heute
abschiedeten wir uns mit vielen netten
Worten und guten Wünschen. Gott sei
Das Gespräch führte
Detlef Eigenbrodt.
noch – die Sonne wird über zwei Versöhnten untergehen.“
Ich dachte: Von kundenorientiertem
Mit Gutl im Kopf hast du das
Gespräch neu begonnen, und
Frieden gestiftet, gelingt das
immer? Sind Menschen danach
immer wieder Freunde? Befriedet?
Arbeiten und Freundlichkeit hat die
Das Gespräch und das dem anderen
Welches Urteil hattest du denn
über die Dame im Laden gefällt?
Frau keine Ahnung. Bei allem Stress –
die Hand zu reichen, ist wirklich hilf-
so geht man doch nicht mit Kunden
reich und richtig. Aber nur, wenn es
um! Kein Wunder, dass sie dicht
von Herzen kommt. Wenn ich es nur
machen muss!
mache, weil ich mich dazu verp昀氀ichtet
Sabine Langenbach (57) ist
verheiratet, zweifache Mutter und
lebt in Altena im Sauerland. Sie ist
Journalistin, Autorin, Rednerin und
„Die Dankbarkeitsbotschafterin“.
Jede Woche veröffentlicht sie auf
ihrem YouTube-Kanal einen neuen
Montagsimpuls. Mehr unter
sabine-langenbach.de
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