NL Magazin 0125-paperturn - Flipbook - Seite 46
MENSCHEN BERICHT
LEBEN IM
SCHATTEN
DES KRIEGES
Was viele von uns nur aus dem
Fernsehen kennen, ist Realität seines
Alltags. Bomben im Nachbarviertel, das
Beben des Bodens und die Möglichkeit,
dass es auch mal Fehlschläger gibt.
Thomas Giebel erzählt, wie er dennoch
versucht, sein Leben zu leben und warum
eine normale Routine so wichtig ist.
RUMMS!!! – Ich sitze grade mit zwei Mitarbeitern aus meinem Team in meinem Büro in Beirut, als in etwa zwei Kilometer Entfernung eine israelische Rakete einschlägt. Wenige
Augenblicke später sieht man eine schwarze Rauchsäule
im Nachbarviertel in den Himmel aufsteigen. Schlagartig
geht mir durch den Kopf, was ich im Sicherheitstraining für
meinen Einsatz im Libanon gelernt habe: Die größte Gefahr
sind herum昀氀iegende Glassplitter, am besten hockt man
sich direkt unter den Fenstersturz, falls bei einem zweiten,
dichteren Tre昀昀er die Fenster durch die Druckwelle brechen
sollten, würden die Splitter über einen hinweg 昀氀iegen. Im
letzten Jahr schon haben wir uns auf solche Ereignisse vorbereitet und an den Fenstern eine Spezialfolie anbringen
lassen, die das Umher昀氀iegen von Splittern verhindern soll.
Wir setzen also unser Gespräch ohne Unterbrechung fort.
Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt.
Ab in den Keller
Unser Sicherheitschef schickt einen Melder durch das ganze
Bürogebäude, damit alle sofort in die Tiefgarage gehen. Es ist
der Tag vor dem Wa昀昀enstillstand zwischen Israel und der aus
dem Libanon heraus operierenden Hisbollah-Miliz. Die Israel
Defence Forces (IDF) haben für den weiteren Nachmittag zehn
Luftangri昀昀e in die Dahiye, dem von der Hisbollah regiertem
südlichen Vorort Beiruts, angekündigt. Das ist das Nachbarviertel des Quartiers, in dem wir unser Büro haben. Nachdem
die Angri昀昀swelle vorbei ist, schicken wir alle Mitarbeiter nach
Hause, um rechtzeitig dort anzukommen, falls es am Abend
weitere Angri昀昀e geben sollte. Ich fahre auch schnell nach
Hause und gehe abends wie geplant ins Fitnessstudio. Ich
wohne in einem „sicheren“ Viertel, so dass dies möglich ist.
Das Leben geht weiter
Seit vierzehn Monaten läuft der bewa昀昀nete Kon昀氀ikt zwischen
der Hisbollah und Israel. Seit drei Monaten haben Anzahl und
Intensität der Luftangri昀昀e stark zugenommen. Die israelische
Luftwa昀昀e greift gezielt nur in der Dahiye an. In den anderen
Vierteln geht das Leben mehr oder weniger seinen gewohnten
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NEUES LEBEN 1 – 2025