univie 2/2023 - Magazin - Seite 16
UNIVERSUM
Invasion der
parasitären Pilze
VOM ESCHENTRIEBSTERBEN BIS ZUR KREBSPEST.
Vom Menschen verschleppte Pilze können große Schäden in
unseren Ökosystemen anrichten. Die Biodiversitätsforscher*innen
Anna Schertler und Franz Essl erforschen die biologische Invasion
von parasitären Pilzen, um ihre Verbreitungswege in Zukunft
besser abschätzen zu können.
TEXT: HANNA MÖLLER
Anna Schertler,
Doktorandin am
Department für Botanik
und Biodiversitätsforschung
der Uni Wien.
Franz Essl, Assoz. Prof. und
Biodiversitätsforscher am
Department für Botanik
und Biodiversitätsforschung
der Uni Wien.
Herbstzeit ist Schwammerlzeit. Wonach wir
beim Schwammerlsuchen meist Ausschau
halten, nämlich dem Fruchtkörper mit Hut
und Stiel, ist aber nur ein kleiner Teil des
eigentlichen Pilzes. Der weitaus größere
verbirgt sich unter unseren Füßen, wo
seine fadenartigen Zellen (Hyphen) ein
unterirdisches Netzwerk spannen, das –
wie bei einem Exemplar des Dunklen
Hallimaschs (Armillaria ostoyae) im Schweizerischen Nationalpark – sogar mehrere
Hektar umfassen kann.
Pilze sind vielgestaltig in ihrer Erscheinungsform und können nicht nur Boden
oder Totholz, sondern verschiedenste Substrate besiedeln. Daneben übernehmen sie
diverse ökologische Rollen: Während
Saprobionten totes organisches Material
verwerten, gehen einige Pilzarten enge
Wechselbeziehungen mit anderen Lebewesen ein (Symbionten). Pilz ist also nicht
gleich Pilz, wissen Anna Schertler und
Franz Essl vom Department für Botanik und
Biodiversitätsforschung der Uni Wien, die
sich gemeinsam die Verbreitung von eingeschleppten Pilzen anschauen.
Good Pilz, Bad Pilz.
Während bei der Schwammerlsuche vor
allem interessant ist, ob das Fundstück ess-
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bar ist, zählen im Ökosystem andere
Eigenschaften. Auch unter den symbiontischen Pilzen gibt es die „Guten“
und die „Bösen“. Zu jenen, die in
einer Win-win-Beziehung leben
(Mutualisten), gehören etwa die
Mykorrhizapilze, wie der Fliegenpilz
(Amanita muscaria) oder der Steinpilz
(Boletus edulis), die am Wurzelsystem
von Pflanzen andocken. Sie lösen Nährstoffe aus dem Boden, die für den Wirt
andernfalls nicht verfügbar wären, und werden im Gegenzug dazu von der Pflanze mit
Zucker aus der Photosynthese versorgt.
Doch nicht immer ist der Deal von beiderseitigem Vorteil: Parasitische Pilze infizieren
gezielt das Gewebe von Pflanzen, Tieren oder
anderen Pilzen und schwächen ihren Wirt,
was zu erheblichen Krankheitserscheinungen
führen kann. Die Schmarotzer – daher auch
pathogene Pilze genannt – sind aber nicht
per se schlecht: Sie regulieren die Bestände
und halten Arten im Gleichgewicht, was wiederum die Artenvielfalt fördert, erklärt Doktorandin Anna Schertler.
Weitreichende Schäden durch
eingeschleppte Parasiten. Pilze verbreiten
sich durch winzige Sporen in Luft und
Boden – aber zunehmend auch mithilfe