univie 2/2023 - Magazin - Seite 17
UNIVERSUM
NICHT SICHER, MIT WELCHEM PILZ
SIE ES ZU TUN HABEN?
FOTOS: PIXABAY/557453 · PRIVAT · WALTER SKOKANITSCH
Der Fliegenpilz hat einen schlechten Ruf.
Während er für Menschen giftig ist, gilt er
im Ökosystem als äußerst verträglich:
Als Mykorrhizapilz löst er Nährstoffe aus
den tiefen Bodenschichten und stellt sie
so seinem Wirt zur Verfügung.
Der pflanzliche Partner versorgt
den Pilz dafür mit Produkten aus der
Photosynthese, beispielsweise Zucker.
menschlicher
Aktivitäten: als
blinde Passagiere in ihrem
Wirt, an Kleidung
oder dem Urlaubssouvenir haftend. Reiseverkehr und internationaler Handel, etwa von
Pflanzen, Getreide oder Lebendtieren, haben das Verbreitungsgebiet
von pathogenen Pilzen vergrößert. Wurden
vor 20 Jahren noch etwa 60 eingeschleppte
pathogene Pilzarten für Österreich beschrieben, sind heute schon über 300 bekannt.
Wenn Pilze durch den Menschen in fremde
Gefilde gelangen, können sie das vorhandene Ökosystem aus dem Lot bringen, etwa
wenn sie auf neue unangepasste Wirte treffen, die in Folge dramatisch zurückgehen
oder sogar ganz verschwinden.
So ist es beispielsweise ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz, der das Eschentriebsterben und den Rückgang der heimischen
Esche zu verantworten hat. Mit weitreichenden Folgen – „wenn eine Baumart im Wald
Wenn Sie im Wald Pilze sammeln, sich aber nicht sicher
sind, welches Exemplar Sie tatsächlich in den Händen
halten, ob es essbar oder womöglich ein seltener Fund
ist – dann sind Sie bei der univie Pilzberatung genau
richtig. Expert*innen der Universität Wien stehen einmal
wöchentlich bei der Pilzbestimmung zur Seite:
immer montags von 17:00 bis 18:30 Uhr
im Department für Botanik und Biodiversitätsforschung (Rennweg 14, 1030 Wien).
myk.univie.ac.at
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fehlt, ändert sich die Waldstruktur, und das
hat auch Konsequenzen für andere Lebewesen, z. B. Insekten oder Vögel“, erklärt
das Forscherduo. Eine andere pathogene
Eipilzart (Aphanomyces astaci) verursacht
die Krebspest, die zum weitgehenden Verschwinden heimischer Krebsarten führte.
keiten, die Verbreitung eines Pilzes zu
erfassen und die menschengemachte Ausbreitung zu rekonstruieren. Und mittels
Big Data können die oft weit verstreuten
Informationen endlich gebündelt werden“,
so Schertler, die gemeinsam mit Essl an
einer entsprechenden Datenbank arbeitet.
„Viele Pilze sind opportunistische Lebewesen und ändern ihre ökologischen Rollen“,
erklärt Essl. So befallen Pilze, die sich normalerweise von totem organischem Material ernähren, auch mal durch lange Hitzeund Dürreperioden geschwächte Pflanzen.
Und genau da liegt das Problem: „Man geht
davon aus, dass zunehmende Extremwetterereignisse in Zeiten des Klimawandels
die Schäden von invasiven pathogenen
Pilzen noch zusätzlich begünstigen“,
ergänzt Anna Schertler.
Wenn pathogene Pilze erst einmal verschleppt sind, gibt es bislang kein effektives Mittel gegen die Ausbreitung. Keine
Lösung, aber „eine gewisse Risikoabschätzung“ erhoffen sich Essl und Schertler von
ihrer Forschung. „Oftmals sind es die kleinen Pilze, die große Auswirkungen auf
unsere Umwelt haben. Unser Projekt macht
es möglich, die Ursachen und Folgen der
menschengemachten Ausbreitung von
pathogenen Pilzen erstmals global zu
bewerten.“ •
Ordnung ins Reich der Pilze bringen.
Weltweit sind derzeit mehr als 150.000 Pilzarten beschrieben – und das ist nach
Schätzungen von Mykolog*innen nur ein
kleiner Bruchteil. „Die molekulargenetischen Methoden eröffnen neue Möglich-
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