univie 3/2022 - Magazine - Page 10
SCHWERPUNKT
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Univ.-Prof. Sophie Lecheler,
Kommunikationswissenschafterin,
Universität Wien
Links:
publizistik.univie.ac.at
polcom.univie.ac.at
@polcom_vienna
@solecheler
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STETER TROPFEN HÖHLT DIE MEINUNG.
In den Fokus der breiten Öffentlichkeit
rückte das Thema politisches Mikrotargeting als personalisierte, algorithmenbasierte Werbestrategie erstmals 2016,
als Whistleblower die Machenschaften
von Cambridge Analytica publik machten. Das Unternehmen mit Sitz in New
York hatte die persönlichen Daten von
Millionen potenziellen Wähler*innen
gesammelt und mit zugeschnittenen Botschaften ihr Wahlverhalten beeinflusst.
So etwa in der US-Präsidentschaftswahl,
aus der Donald Trump als Sieger hervorging, oder als Großbritannien vor fünf
Jahren mehrheitlich für den Brexit
stimmte. Was die Methoden von
Cambridge Analytica tatsächlich bewirkt
haben, weiß man aber bis heute nicht, so
Lecheler.
und gezielt über politische Agenden
informiert werden, etwa Migrant*innen,
jüngere oder ältere Menschen. „Digitale
Technologien haben starkes demokratisches Potenzial, da sie es allen Bürger*innen ermöglichen, an einem politischen Diskurs teilzuhaben“, sagt
Lecheler.
WAHLWERBUNG ALS BLACK BOX. Wie
Bürger*innen von welchen Parteien in
welcher Form digital angesprochen werden, ist für die Wissenschaft mit den
neuen Entwicklungen allerdings zur
Black Box geworden. Angewiesen sind
die Forscher*innen daher auf so
genannte „Data Donations“, Spenden
von User*innen, die Screenshots von
ihrem Newsfeed einsenden und dazu
befragt werden bzw. Datenspende-Apps
installieren, die es dem Team ermög
Bei aller Kritik, Mikrotargeting in Social lichen mitzuverfolgen, wie die User*inMedia hat durchaus auch seine guten Sei- nen in Wahlkampfzeiten „getargeted“
ten: So können auch kleinere politische werden. Neben der Analyse von DatenParteien ohne millionenschwere Budgets spenden führt das Uni-Wien-Team im
effektiv Wahlwerbung betreiben und Projekt auch experimentelle Studien
dadurch die Vielfalt in der Parteienland- durch, um die Wirkung der personalischaft erweitern. Zum anderen können sierten Wahlwerbung auf die User*in„oftmals vergessene“ Gruppen adressiert nen zu analysieren.
FOTO: ALEXANDER BACHMAYER · GRAFIK: SHUTTERSTOCK/SKILLUP
„Informationsflüsse
sind zentrale Prozesse
in der Demokratie.
Wahrscheinlich
sind sogar sie es, die
heutzutage darüber
entscheiden, ob und
wie Demokratien
funktionieren.“