univie 2 2022 FINAL - Flipbook - Page 14
SCHWERPUNKT
Wie verändert
Digitalisierung Demokratie?
„Technologie kann Demokratie bestärken oder ihr
entgegenwirken, sie sogar zerstören. Aufgabe des
Rechts ist, sicherzustellen, dass die Grundrechte ausgeübt werden können. Ich will Technik genießen
und Dinge machen können, die analog nicht so gut
möglich wären – ohne Angst zu haben, dass jemand
erfährt, welche politische Gesinnung ich habe, wer
mein Gott ist oder irgendeine andere private Information, die ich nicht hergeben möchte.“
»
Wie schätzen Sie die Bereitschaft seitens der
Unternehmen ein, dass sich hier etwas ändert?
Inzwischen gibt es ein breites Problembe
wusstsein in Bezug auf Biases von KI und
Algorithmen. Allerdings herrscht Uneinig
keit darüber, wie Fairness aussieht, wie man
sie operationalisieren kann. Ich setze mich
dafür ein, dass Gerechtigkeit nicht etwas
Binäres ist, das zwischen 1 und 0 aufgeteilt
werden kann. Gerechtigkeit ist kontextuell
und schwimmt sehr stark zwischen 1 und 0
hin und her, ist historisch und kulturell
fluide und eben kein einfaches mathe
matisches System. Trotzdem denke ich,
dass ein aktives Bemühen um die Wahrung
von Grund- und Menschenrechten etwas
ist, das Konsument*innen anziehen wird.
Es könnte ein netter Nebeneffekt sein, dass
Firmen dafür, dass sie ethisch und auch
rechtlich das Richtige tun, belohnt werden.
Was macht Ihnen angesichts aktueller oder
zukünftiger technologischer Entwicklungen
besonders Sorgen?
Was mich am meisten erschreckt, ist die
Annahme der Unausweichlichkeit – dass
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Technologie eingesetzt werden muss, nur
weil wir es können. Technik soll dazu
genutzt werden, um unser Leben besser zu
machen. Im Moment werden Algorithmen
aber oft nicht dafür eingesetzt, bessere Ent
scheidungen zu treffen, sondern um Kosten
zu sparen.
Wo sehen Sie momentan große Chancen?
In der Medizin, aber nicht um den Arzt zu
ersetzen oder Pflege zu streichen. KI ist eine
neue Technik, die helfen kann, bessere Ent
scheidungen zu treffen, etwa bei der Früh
erkennung von Hautkrebs. Algorithmen
sind heute schon sehr gut darin, Krebs auf
weißer Haut zu erkennen, aber nicht auf
dunkler Haut. Man könnte also den Algo
rithmus so gestalten, um die Krebsvorsorge
für nicht weiße Menschen zu verbessern.
Ihre Großmutter war eine der ersten Frauen,
die an der TU Wien studiert haben – hat sie Ihr
Interesse für Technik geprägt?
Meine Großmutter hat mich sehr stark in
der Hinsicht beeinflusst, dass Technik und
Mathematik und Frausein niemals im
Widerspruch stehen. Ich habe mich schon
als Kind für Technik interessiert, weil ich das
Gefühl hatte, das kann etwas Gutes für
unsere Gesellschaft sein. Das Recht hat sich
dann einfach angeboten, ich bin jetzt zwar
nicht diejenige, die Technik kreiert, aber
vielleicht diejenige, die einen Schutzwall
aufstellt, um sicherzustellen, dass Technik
für die Menschen hilfreich ist.
Haben Sie ein paar Tipps für unsere
Leser*innen? Fehler, die man im Internet
leicht vermeiden kann?
Wichtig ist zu verstehen, wie wertvoll unsere
privaten Daten sind. Die E-Mail-Adresse
anzugeben, mag harmlos erscheinen, aber
wenn man sich überlegt, dass ständig
jemand unsere Daten haben möchte, mit
allen Mitteln, dann sind sie wahrscheinlich
wertvoll. Das heißt, ich habe die wertvolle
Sache in der Hand. Ich habe die Kontrolle
und eigentlich habe ich die Macht.
Oft gibt es Alternativen, man kann etwa
Browser nutzen, die privatsphärenfreund
licher sind, z. B. Firefox, man könnte andere
Suchmaschinen nutzen, wie DuckDuckGo,
wo nicht so nachvollziehbar ist, was man im
Internet macht. Aber eigentlich ist das so, als
würde ich auf der Straße gehen, überall sind
Kameras und ich gebe jemandem einen
Tipp, wie er sich einen Hut gut a ufsetzen
kann oder einen Schal umwerfen, damit er
nicht gesehen wird. Das ist nicht Freiheit.
Freiheit heißt, ich gehe hinaus, wie immer
ich möchte, und ich werde in Ruhe gelassen.
Mein Anliegen wäre, dass ich mich nicht
ständig im Internet schützen muss – das
heißt für mich Freiheit, Gerechtigkeit und
Demokratie. •