univie 3/2022 - Magazine - Page 17
„Hashtags sind ein
kampagnentechnisches
Instrument, um einer Bewegung
einen Slogan zu geben.“
trends“ bei Twitter gespült, ein Algorithmus im Twitter-Netzwerk, der bestimmte
Hashtags pusht. „Mit dem Effekt, dass
die Gesetzesinitiative wieder zurückgenommen wurde“, erzählt Schlögl. „Bei
dem Fall kann man gut sehen, dass dieser
Hashtag-Aktivismus wirklich Dinge
bewegen kann.“
Ob „Me Too“ oder aktuell der „Ich bin
Hanna“-Hashtag, sie sind ein kampagnentechnisches Instrument, um einer
bestimmten Bewegung einen Slogan, zu
geben. „Diese Hashtags spielen eine
wichtige Rolle im öffentlichen Bewusstsein und in Social-Media-Kampagnen“,
so Schlögl. Können sie auch zur Demokratisierung einer Gesellschaft beitragen? In seinem Buch argumentiert der
Sozialwissenschafter gegen ein technikdeterministisches Paradigma. Nicht der
Zugang zu sozialen Medien und das Vorhandensein digitaler Skills bedingen den
Aktivismus oder gar politischen Wandel.
Treibende Kraft sei die Gesellschaft selbst
und der Wandel, durch den sie gehe.
Soziale Medien leisten zweifellos einen
Beitrag und können
Dynamiken verstärken, so
Schlögl. Auch die einfache
Teilhabe und die niedrigen Kosten
der Beteiligung spielen eine Rolle, mitmachen kann theoretisch fast jeder.
„Selbst in einem Mitteleinkommensland
wie Indonesien hat jeder und jede ein
Handy. Tatsächlich beteiligen sich aber
nur gewisse Gruppen“, stellt Schlögl fest.
Ob auf Twitter oder in der analogen
Welt: Es sind die Jungen, besser Gebildeten, oft Studierende, die ihre Anliegen
auf diese Weise kundtun. Die „üblichen
Verdächtigen“, die bestimmte Werte und
Ambitionen haben, die sie durchsetzen
wollen, die vielleicht auch über die zeitlichen und ökonomischen Ressourcen
dafür verfügen. „Ich sehe hier durchaus
Parallelen zu den Studentenrevolten von
1968, die vom Substrat her ähnlich waren
wie die Social-Media-Proteste der letzten
Jahre in Indonesien und anderswo:
Wenn sich die Gesellschaft wandelt, entstehen bestimmte Aktionsformate politischen Verhaltens, und diese drücken sich
heute eben in Social Media aus.“ •
FOTO: LUKAS SCHLÖGL · UNIVERSITÄT WIEN
MEHR ZUM THEMA „DEMOKRATIE UND DIGITALISIERUNG“:
Wie verändert
Digitalisierung
Demokratie?
„Die Digitalisierung gibt uns
mächtige Instrumente in die
Hand, diese lassen sich
unterschiedlich nutzen:
Man kann sie als Waffe
benutzen, man kann sie als
Medium der Information nutzen,
man kann sie zur Partizipation
nutzen. Man kann sie nutzen, um
die Effizienz zu steigern, um Menschen die Privatsphäre zu nehmen
und die ganze Gesellschaft zu
durchleuchten. Der Technikhistoriker Melvin Kranzberg sagt dazu:
,Technology is neither good nor bad,
nor is it neutral‘. Das finde ich
herrlich augenzwinkernd, aber
so ist es.“
# Online-Ringvorlesung „Practicing Democracy in the Digital Age” im
WS 22/23: immer montags von 18:30 –20:00 via Zoom.
Anmeldung für externe Interessierte: sonja.prendinger@univie.ac.at
digigov.univie.ac.at/demos
# Das Buch von Lukas Schlögl, „Digital Activism and the Global Middle Class.
Generation Hashtag“, erschien 2022 bei Routledge.
Dr. Lukas Schlögl,
Politikwissenschafter
Uni Wien
@LukasSchlogl
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