univie 3/2022 - Magazine - Page 19
UNIVERSUM
Dinge, die man aus budgetären Gründen
nicht sofort realisieren wird, aber zumin
dest kann man darüber nachdenken. Für
die Uni Wien fände ich z. B. ein Center for
Advanced Study wichtig.
FOTO: ALEXANDER BACHMAYER · GRAFIK: SHUTTERSTOCK/SIMPLE LINE
Was macht für Sie die Uni Wien aus, was ist
ihr Alleinstellungsmerkmal?
Das ist natürlich die große Tradition der
Uni Wien, die größte und älteste Universi
tät im deutschsprachigen Raum und eine
der ältesten überhaupt zu sein, das ist ein
tolles Asset. Diese Tradition ist ja nicht nur
nach hinten gedacht, auf deren Basis ent
wickeln wir uns weiter. Dazu kommt, dass
die Uni Wien beinahe eine Voll-Uni ist. Bis
auf die ausgegliederte Medizin haben wir
alle Fachbereiche, auch sehr kleine Fächer,
die an vielen anderen Unis im deutschspra
chigen Raum gar nicht mehr vertreten sind.
Diese Vielfalt ist eine große Stärke der Uni
Wien, sie gilt es weiterzupflegen.
Was kann sich die Uni Wien von anderen
Universitätskulturen abschauen?
Wir messen uns natürlich mit anderen Unis
im internationalen Vergleich und orientie
ren uns auch an Rankings, aber wir sollten
uns bewusst sein, dass wir in bestimmten
Dingen anders sind und auch anders sein
wollen. Es macht keinen Sinn, die Uni Wien
mit Harvard zu vergleichen, weil wir sehr
inklusiv sind, freien Hochschulzugang
haben und damit auch eine große Funk
tion erfüllen. Wir bilden Personen für sehr
viele gesellschaftliche Bereiche aus. Wir
versuchen beides miteinander zu verbin
den, eine exzellente Forschungsuniversität
und gleichzeitig eine Uni für alle zu sein.
Was ist Ihre Vision, wie die Uni Wien in der
Öffentlichkeit wahrgenommen werden soll?
Wir sind sehr erfolgreich beim Einwerben
von ERC-Grants und auch die Wittgenstein
preise sind eine großartige Auszeichnung
unserer Wissenschafter*innen. Aber als
größte Ausbildungseinrichtung leistet die
Uni Wien auch in der Lehrer*innenaus
bildung einen wesentlichen gesellschaft
lichen Beitrag, der noch viel zu wenig
gesehen wird.
Neben der Forschung und der Lehre ist auch
die „Third Mission“, der gesellschaftliche
Auftrag der Universitäten, stärker im Fokus –
wo sehen Sie diesen für die Uni Wien?
Oft stellt man sich unter Fortschritt und
Innovation eine neue Maschine oder ein
neues Medikament vor. Ich glaube, das
„Wir versuchen
beides miteinander
zu verbinden,
eine exzellente
Forschungsuniversität
und zugleich eine
Uni für alle zu sein.“
muss man breiter definieren. Am Beispiel
der Pandemie sieht man: Diese Krise ist ja
kein rein epidemiologisches Problem, son
dern hat auch soziale, gesellschaftliche,
wirtschaftliche und sogar juristische Rah
mendiskurse und für die fühlen wir uns
auch zuständig. Third Mission bedeutet
aber auch, mit unseren Ergebnissen in die
Gesellschaft zu gehen und jene dafür zu
interessieren, die davon noch gar nichts
wissen oder das auch gar nicht im engeren
Sinne verwerten, aber Anteil daran neh
men, was wir hier tun. Einer Universität
sollte es wichtig sein, dass in der Gesell
schaft ein möglichst breites Verständnis
dafür da ist, was sie leistet. Davon hängt
letztlich auch unser Budget ab.
Wollen Sie die Geistes- und Kulturwissen
schaften, wo Sie ja beheimatet sind, künftig
mehr in den Blick rücken?
Ja, man sieht das aktuell etwa im Zusam
menhang mit dem Ukraine-Krieg, wo sehr
viel zeithistorische Expertise gefragt ist, die
wir auch bieten können. Wir haben an der
Uni Wien das Institut für Osteuropäische
Geschichte, eine derartige Einrichtung gibt
es nur an wenigen anderen Orten.
Wenn Sie sich die Uni Wien als Gemälde vor
stellen: Wie würden Sie dieses beschreiben?
Eher Ölschinken oder moderne Kunst …?
Ich glaube, wir sind beides. Schon allein
das Gebäude gibt einen bedeutungsvollen
historischen Rahmen vor. Aber vor allem ist
die Universität für die nächste Generation
da und durch unsere aktiven und engagier
ten Studierenden wird dieser historische
Rahmen mit viel Leben gefüllt.
Wie stehen Sie persönlich zu akademischen
Ritualen wie der Inauguration?
Finden Sie das alles noch zeitgemäß?
So ein Rektoratswechsel ist natürlich ein
wichtiger Moment für die Universität,
v. a. weil die letzten Rektorate sehr lange
Amtsperioden waren, da ist die Prägung
durch die Figur des Rektors doch stark.
Und so ein Event, das diesen Übergang
markiert, auch mit Talar und Kette, finde
ich eine schöne Tradition – in der Kultur
wissenschaft würde man es eine „Rite de
passage“ (Übergangsritus, Anm.) nennen.
Es ist auch ein Moment, wo sich die Univer
sität darstellt und von Entscheidungs
träger*innen wahrgenommen wird.
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