univie 2 2022 FINAL - Flipbook - Page 9
SCHWERPUNKT
G
erade noch mit einem Freund
über Urlaubspläne gesprochen
und wenig später taucht die passende
Reisewerbung im eigenen Profil auf:
Wenn Werbung im Internet zu persönlich wird, kann das auch den gegenteiligen Effekt haben, die Werbeforschung
spricht vom „Creepiness-Effekt“. Es ist
gruselig, wenn uns das Internet zu gut
kennt. Wenn sich nun auch politische
Parteien an die neuen individualisierten
Werbestrategien herantasten und dabei
„eigentlich gar nicht genau wissen, was sie
tun“, kann das also durchaus nach hinten
losgehen – und potenzielle Wähler*innen vergraulen, anstatt sie zu gewinnen.
weise besonders „creepy“, wenn uns
eine Partei, mit der wir bisher wenig
Berührungspunkte hatten, plötzlich online
anspricht, so Kommunikationsforscherin
Sophie Lecheler. Was bedeutet es also für
unseren Umgang mit politischen Informationen, unser Wahlverhalten, unser
Vertrauen in die Demokratie, wenn Politiker*innen in unseren Profilen „vorbeischauen“ und ihre Wahlbotschaften
auf unsere Vorlieben und Bedürfnisse
zuschneiden?
WAS IST DEMOKRATISCH „NOCH
GESUND“? Sophie Lecheler und ihr
15-köpfiges Team betreiben politische
Kommunikationsforschung an der Uni
Da wir Politik mit anderen moralischen Wien. „Wir schauen uns an, wie MenStandards messen als die Privatwirtschaft, schen oder Organisationen im öffentstehen wir auch der Social-Media- lichen Raum über gesellschaftspolitische
Nutzung von Politiker*innen kritischer Themen kommunizieren – und welche
gegenüber: So finden wir es möglicher- Rolle das für die Entwicklung der Demokratie spielt.“ Ziel der Forschung ist es,
den Weg für eine „demokratisch gesunde“
mediale Kommunikation zu ebnen, also
eine Kommunikation, die vielleicht nicht
nur konfliktbasierte Nachrichten verbreitet, sondern auch Lösungen anregen kann.
mus
die Demokratie?
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